Morgenimpuls mit Schwester Katharina

Ich sehe was, was Du nicht siehst

Kennen Sie noch dieses Kinderreimspiel: Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist zum Beispiel rot. Und dann mussten die anderen suchen und raten, was diejenige meinen könnte.

Ehrlicherweise fiel mir dieses Verslein ein, als ich die Statistik gelesen habe, die vorgestern herausgekommen und durch die Medien gegangen ist. Da wurden Katholiken gefragt, wie es um Glauben und Kirche bei ihnen aussieht.: 4 Prozent gläubiges Mitglied und eng verbunden mit Kirche, 36 Prozent bin mit Kirche verbunden, aber kritisch, 32 Prozent fühle als Christ:in, aber Kirche bedeutet nicht viel, 3 Prozent religiös, fühle mich aber nicht als Christ:in, 8 Prozent lebe religiöse Bedürfnisse individuell, 5 Prozent weiß nicht, was ich glauben soll, 12 Prozent ich brauche keine Religion.

Bei den letzten drei Gruppen bin ich ratlos und sehe was, was diese selber nicht sehen: religiös sein, aber sich nicht als Christ fühlen, und das als getaufte katholische Christen? Wie geht das? Religiöse Bedürfnisse individuell leben, wenn ich es brauche? Oder: Ich weiß nicht, was ich glauben soll? Dann wäre religiöse Bildung und Weiterbildung eine gute Idee. Und die, die als getaufte Christen sagen, dass sie keine Religion brauchen? Hm, ich weiß es nicht.

Aber wirklich hängen geblieben bin ich bei denen, die sagen, dass sie gläubiges Mitglied sind und der Kirche verbunden oder kritisch zu ihr stehend. Kritisch zu ihr stehen, diese Formulierung hat mir sehr viel Mut gemacht. Wenn fast 40 Prozent sagen, dass sie kritisch zur Kirche stehen, heißt das, dass sie sich mit Glauben und Kirche auseinandersetzen und mit ihr ringen. Und 32 Prozent fühlen sich als Christen aber Kirche bedeutet nicht viel. Das bedeutet, sie glauben an Gott und leben ein christlich geprägtes und wertorientiertes Leben. Und das ist viel mehr, als ich erwartet habe. Und die Kirche besteht aus denen, die als Christen leben und sich für Gott und die Menschen engagieren.

Ich sehe was, was Du nicht siehst, nämlich viele Millionen Menschen, die an ihrem Glauben an Gott trotz Unsicherheit, Zweifeln und Wut auf die Kirche festhalten und auf der Suche bleiben nach dem Gott, der immer schon nach ihnen Ausschau hält und der viel mehr sieht, als wir sehen können.

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