Morgenimpuls mit Schwester Katharina

Gib mir Gelassenheit

Einer unserer Schwestern im Altenheim geht es zur Zeit nicht gut und ich habe sie erstmals tagsüber im Bett liegend erlebt. Normalerweise sitzt sie in einem superfunktionalen E-Rollstuhl und kommt irgendwie überall hin und ist nicht auf Schiebehilfe angewiesen. Aber jetzt liegt sie also im Bett und wir haben geplaudert. Und mittendrin meinte sie: ich merke jetzt erst, wenn ich so liege, welch tolle Aussicht ich von hier aus habe. Man sieht viel mehr Himmel und den Berg da drüben und die Bäume gegenüber.

Das ist es wieder, was mich, an meinen oft so hoch betagten Mitschwestern so gefällt: Wenn ich das, was mir geschieht, nicht ändern kann, dann halte ich es aus und schaue, ob es auch noch positive Seiten hat. Das haben viele alte Menschen uns Jüngeren wirklich voraus: Sie haben schon so viel erlebt an Schönem und Schwerem, dass sie nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen sind und sich einzurichten versuchen. Ein gutes Wort dafür ist Gelassenheit – ich kann gelassen sein, weil ich loslassen kann, weil ich nicht festhalten muss, weil ich glaube, dass die Dinge bei Gott in guten Händen aufgehoben sind. Ein sehr altes Gebet heißt:
Guter Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Das ist tatsächlich die Kunst: das, was ich nicht ändern kann, annehmen und damit leben und das, was in meiner Macht liegt zu ändern, das auch anzupacken. Wir kennen alle dieses "ach, da kann ich als Einzelner ja doch nichts machen" Das stimmt einfach nicht. Das was in meinen Kräften und Möglichkeiten liegt, sollte ich auch anpacken und dann spüren, dass vieles doch entschieden besser geht, als ich je gedacht hätte. Und die Weisheit, die man auch gut als die Kompetenz im Menschsein beschreiben kann, hilft oft zu unterscheiden, ob ich etwas tun kann oder ob die Situation angenommen und getragen werden muss.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass es wirklich viele sehr weise Menschen gibt, die aus Ihrer Lebens- und Glaubenserfahrung, ihrer Kompetenz im Menschsein immer neu gute und richtige Entscheidungen treffen und das Leben ihrer Mitmenschen lebens- und liebenswerter machen.

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