Morgenimpuls mit Schwester Katharina

Du gehörst dazu!

Das eine sind die leiblichen Werke der Barmherzigkeit, die wir am Montag bedacht haben und das nächste die geistigen Werke, die gestern unser Thema waren. Im Jahr 2006/7, als der 800. Geburtstag der heiligen Elisabeth von Thüringen gefeiert wurde, hat das Bistum Erfurt eine öffentliche Umfrage gestartet mit der Frage, was die Menschen dort denn heute besonders brauchen und suchen würden. Was für sie selbst heute besonders notwendig ist. Und diese Umfrage, an der sich viele tausend Menschen beteiligt haben, ergab am Ende die "sieben Werke der Barmherzigkeit für Thüringen heute". Sie lauten: Du gehörst dazu – Ich höre Dir zu – Ich rede gut über Dich – Ich gehe ein Stück mit Dir – Ich teile mit Dir – Ich besuche Dich – Ich bete für Dich.

Das erste und somit am meisten genannte Werk ist die Zusage: Du gehörst dazu!

Was unsere Gesellschaft oft kalt und unbarmherzig macht, ist die Tatsache, dass in ihr Menschen an den Rand gedrückt werden: die Arbeitslosen, die Ungeborenen, die psychisch Kranken, die Ausländer usw. Das Signal, auf welche Weise auch immer ausgesendet: "Du bist kein Außenseiter!" – "Du gehörst zu uns!" – z. B. auch zu unserer Pfarrgemeinde – das ist ein sehr aktuelles Werk der Barmherzigkeit.

Eine oft gehörte und geäußerte Bitte lautet: "Hast Du mal ein bisschen Zeit für mich?"; "Ich bin so allein!"; "Niemand hört mir zu!" – Die Hektik des modernen Lebens, die Ökonomisierung von Pflege und Sozialleistungen zwingt zu möglichst schnellem und effektivem Handeln. Es fehlt oft – gegen den Willen der Hilfeleistenden – die Zeit, einem anderen einfach einmal zuzuhören. Zeit haben, zuhören können – ein Werk der Barmherzigkeit, paradoxerweise gerade im Zeitalter technisch perfekter, hochmoderner Kommunikation so dringlich wie nie zuvor! Also mein Auftrag heute: Ich höre dir zu.

Und ein Drittes: Jeder von uns hat das schon selbst erfahren: In einem Gespräch, einer Sitzung, einer Besprechung – da gibt es Leute, die zunächst einmal das Gute und Positive am anderen, an einem Sachverhalt, an einer Herausforderung sehen. Natürlich: Man muss auch manchmal den Finger auf Wunden legen, Kritik üben und Widerstand anmelden. Was heute oft fehlt, ist die Hochschätzung des Anderen, ein grundsätzliches Wohlwollen für ihn und seine Anliegen und die Achtung seiner Person. Respektvolles Umgehen miteinander beginnt heute also für mich mit der Zusage an einen Mitmenschen: Ich rede gut über Dich.

 

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