Morgenimpuls mit Schwester Katharina

Barmherzigkeit als Aufgabe und Anspruch

Nackte bekleiden und Fremde aufnehmen, sind die beiden nächsten leiblichen Werke der Barmherzigkeit. Nackte bekleiden hat für mich zwei Aspekte: zum einen natürlich, dass wir Menschen, die buchstäblich nur noch das, was sie auf dem Leib tragen besitzen, dass wir denen Kleidung und Wärmendes verschaffen.

Bei dem verheerenden Erdbeben in Syrien und der Türkei, war das nochmal ganz deutlich. Viele waren nur im Schlafanzug auf die Straße gerannt und hatten nur das nackte Leben retten können, ohne die notwendige Kleidung um nicht zu erfrieren. Unser Erschrecken bei den Bildern und Videos hat es vielen Helfenden leicht gemacht, zu spenden und Kleidung und Zelte und Decken zu beschaffen.

Und dann gibt es diese zweite Seite dieses Werkes: nackt stehen viele Menschen da, die gemobbt und bloßgestellt werden. In den unsozialen Medien, in zweifelhaften Illustrierten, in Beifall -heischenden Berichten. Dann ist es ganz anders wichtig, diese Bloßstellung zu beenden, gegen Mobbing und andere Praktiken vor zu gehen und zu versuchen, die Würde der Betroffenen mit meinen Möglichkeiten wieder her zu stellen.

Fremde aufnehmen, ist schon im Alten Testament ein sehr wichtiges Werk. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Du und Deine Familie und Dein Stamm nur dann gut leben können, wenn auch der Fremde, der sich auf Deinem Gebiet aufhält, leben und arbeiten und sich in die Gemeinschaft einfügen kann. Immer schon, in der Erfahrung von Kriegen, von Flucht und Vertreibung war es die größere Leistung der Einheimischen, nicht nur die Fremden aufzunehmen und ihnen Dach und Unterkunft und Lebensnotwendiges zu verschaffen, sondern sie in ihr Gemeinwesen zu integrieren, wie wir es heute sagen würden.

Unsere koptisch- ägyptische Familie, die wir 2015 bei uns aufgenommen haben, sind für mich ein wunderbares Beispiel. Sie arbeitet seit Jahren als Erzieherin im Kindergarten, Er ist fest angestellter Linienbusfahrer. Sie leben seit Jahren schon in einer schönen eigenen Wohnung, fahren mit Begeisterung Fahrrad und Auto. Beide Kinder sind in der Schule richtig gut und beide lernen Klarinette zu spielen. Und sie haben viele Freunde und Freundinnen und leben ihr gelingendes Leben in unserem Land.

"Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen" bleibt immer Aufgabe und Anspruch und es ist wunderbar zu erleben, dass die aufgenommenen Fremden immer mehr zu Freunden, Kollegen und aktiven und mündigen Bürgern werden.

 

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