Zwischenbericht über Missbrauch an Bonner Jesuitenschule

Mehr Klarheit und Unklarheit

Nachdem der erste Bericht über die Missbrauchsfälle am Bonner Jesuitengymnasium Aloisiuskolleg durch die Anwältin Ursula Raue Unklarheiten zurückließ, setzte der Orden eine neue Untersuchungskommission. Das Endergebnis soll im Dezember vorliegen. Ein Zwischenbericht wirft nun weitere Fragen auf.

Autor/in:
Andreas Otto
 (DR)

Um ihr Handeln transparent zu machen, veröffentlichten Zinsmeister und die Kölner Sozialrechtlerin Julia Zinsmeister und ihr Team aber bereits einen Zwischenbericht - mit zahlreichen neuen Details, aber auch vielen unbeantworteten Fragen. Nach dem Zwischenbericht hat sich die Zahl der Beschuldigten von den im Raue-Bericht genannten sechs Patres und einem Mitarbeiter auf 15 Ordensmitglieder und drei Laienmitarbeiter erhöht. Auch die Zahl der Schüler, die von Grenzverletzungen berichteten, stieg von 30 auf 67. Allerdings handelt es sich dabei nicht nur um Opfer sexueller Grenzverletzungen. Es geht auch um Schüler, die über körperliche Misshandlungen wie Schlagen oder Einsperren berichten.



Eine genaue Aufschlüsselung, wie viele Opfer welche Repressionen seit den 50er Jahren bis 2008 erlebten, kann laut Zinsmeister erst im Abschlussbericht erfolgen. Die von vielen Medien in den vergangenen Tagen transportierte Aussage, dass es am Aloisiuskolleg mehr Opfer sexuellen Missbrauch als bisher gegeben habe, lässt sich durch den Zwischenbericht nicht belegen.



Nicht strafbar aber rechtswidrig

Allerdings macht er auf "nicht strafbares", aber "gleichwohl rechtswidriges Fehlverhalten" aufmerksam. So hätten Patres in der Beichte Kinder zu ausführlichen Berichten über Onanie bewegt - zur Befriedigung ihrer eigenen sexuellen Bedürfnisse. Gravierende Missstände attestiert der Bericht dem Orden zudem im Umgang mit Hinweisen auf pädagogisches Fehlverhalten. So seien schriftliche Hinweise von Ordensmännern an den Provinzial über Fehlverhalten von Mitbrüdern nur in die Akte der Beschwerdeführer gelangt, nicht aber in die der Beschuldigten. Dadurch seien beim Wechsel im Amt des Provinzials Hinweise auf Kindeswohlgefährdungen "regelmäßig untergegangen".



Die meisten Grenzverletzungen werden einem im Juli im Alter von 82 Jahren verstorbenen Pater vorgeworfen, der über vier Jahrzehnte am Kolleg in leitender Stellung tätig war. Unter anderem machte er Fotos von halb und vollständig entkleideten Jugendlichen. Sie stellen laut Zinsmeister nach heutigen Maßstäben zwar keine Kinderpornografie dar, hätten aber "eine offenkundig erotische Komponente".



Empörung über Fotos

Mit Empörung reagierte die Interessengemeinschaft Missbrauchsgeschädigter am Aloisiuskolleg auf die Information im Zwischenbericht, wonach entgegen früheren Beteuerungen nicht alle Fotos vernichtet wurden. Stattdessen befanden sich zahlreiche Bilder im Nachlass des Paters. Zeitweise lagerten diese für jedermann zugänglich in einem Nebenraum des Kollegs.



Zinsmeister wollte nach Hinweisen aus dem Kolleg über die Existenz der Bilderkisten die Fotos Mitte August sichten, wie es in ihrem Bericht heißt. Diese waren aber inzwischen von dem im Frühjahr zurückgetretenen Rektor bei Verwandten eingelagert worden. Ende August bekam Zinsmeister rund 740 Bilder zu Gesicht. Sie sortierte davon 255 Fotos aus, die Kinder in auffälliger Weise zeigen. Sie werden von der Kommission unter Verschluss gehalten. Die Betroffenen selbst sollen nach Abschluss der Untersuchung entscheiden, was damit geschieht.



Die Leitung des Ordens betont, dass die Existenz der Fotos bis zum Tod des Paters nicht bekannt gewesen sei. Zu den Vorwürfen der Opfer gegen die Ordensleitung und die Verantwortlichen am Aloisiuskolleg will sich Jesuitenprovinzial Pater Stefan Kiechle zum derzeitigen Zeitpunkt nicht äußern, so ein Sprecher. Dies soll erst nach Vorlage des Abschlussberichtes geschehen.