Warum echte Kerzen weiterhin so beliebt sind

Zwischen Gemütlichkeit und Umweltbewusstsein

Kerzen sind für viele der Inbegriff von Gemütlichkeit an dunklen Tagen. Zugleich sorgen sich manche um die Feinstoffbelastung und schlechte Umweltbilanz. Mit gutem Gewissen Kerzen abbrennen - geht das überhaupt noch?

Autor/in:
Angelika Prauß
Bei einer Vigil gibt es Kerzenlicht, Gesang, Gebet und eine meditative Atmosphäre / © New Africa (shutterstock)
Bei einer Vigil gibt es Kerzenlicht, Gesang, Gebet und eine meditative Atmosphäre / © New Africa ( shutterstock )

Kerzenlicht gehört für viele Menschen in der dunklen Jahreszeit zum Wohlfühlen und zur Gemütlichkeit dazu - in Laternen am Hauseingang, als Teelichter in dekorativen Gläsern, am Adventskranz. Kritiker bemängeln die giftigen Feinstaubausdünstungen und umweltschädliche Produktionsbedingungen.

Selbst in manchen Kirchen sind echte Kerzen inzwischen ungern gesehen. Kann es also sein, dass wir uns bald vom Schein natürlich flackernder Kerzen verabschieden werden?

Bei Popkonzerten ist es längst üblich, mit der Taschenlampenfunktion am Smartphone für Lichteffekte zu sorgen statt wie früher Feuerzeuge zu schwenken. Und auch in Kirchen - vor allem in südlichen Ländern - wird aus Brand- und Denkmalschutzgründen auf echte, potenziell auch rußende Kerzen oft verzichtet. Die Alternativen zu echtem Feuerschein sind inzwischen gewaltig: stromsparende LED-Lichter, mit Batterien betriebene Kerzen, die tanzende Flammen suggerieren und solarbetriebene Lichterketten.

"Vom Baby bis zum Senior"

Stefan Thomann, Geschäftsführer des Europäischen Kerzen-Verbandes (ECA), bleibt gelassen. Die Deutschen seien "definitiv kerzenaffin" und Europameister, was den Kerzenverbrauch angeht. Dieser belaufe sich allein für das Jahr 2018 auf stattliche 181.000 Tonnen. Rund 2,2 Kilogramm Wachsprodukte habe statistisch gesehen jeder Deutsche - "vom Baby bis zum Senior" konsumiert. Fast doppelt so viel, 4,1 Kilogramm, hätten aber die Dänen angezündet. Dass sie nicht Kerzen-Europameister sind, liegt an der mit knapp 6 Millionen vergleichsweise geringen Einwohnerzahl.

Thomann sieht in puncto Wachskerzen ein deutliches "Nord-Süd-Gefälle". Dass diese in Skandinavien wesentlich stärker zur Lebenskultur gehören, stamme vermutlich noch aus der Zeit vor Einführung des elektrischen Lichts, "als sich die Menschen mit ihnen in den langen Winternächten etwas Helligkeit verschafften". Diese Gewohnheit sei dann wohl "in die DNA der nordischen Völker eingegangen", erklärt der ECA-Geschäftsführer. Aber auch in Deutschland, wo das Wort "Gemütlichkeit" gerade erst zum schönsten Wort gewählt wurde, hätten Kerzen "ein Stück weit Tradition".

"Man kann darin eintauchen"

Zumal der Blick in eine Flamme Menschen nicht nur im Advent und in der Weihnachtszeit in eine unverwechselbare, besinnliche Stimmung versetzt. Feuer sei von einer besonderen Atmosphäre umgeben, findet die Psychotherapeutin Charlotte Jennings, "das zentriert uns". Der Blick in die Flammen stelle "eine ganz ursprüngliche Form von Meditieren" dar, sagt Jennings, die als Naturcoach im niedersächsischen Rinteln arbeitet. "Man kann darin eintauchen."

So verwundert es nicht, dass Thomann mit LED-Beleuchtung wenig anfangen kann, auch wenn diese "Atmosphäre ohne Risiko" versprechen. LED-Birnen, die mit Leuchtdioden Licht erzeugen, hätten gewisse Existenzberechtigung, etwa in Altenheimen, findet der Geschäftsmann. Oder im Haushalt von Tierhaltern, wo Katzen in den Weihnachtsbaum springen oder Hunde den Adventskranz umwedeln und einen Brand auslösen könnten.

Schöne Flammen

Ansonsten hält Thomann allein schon den Begriff LED-"Kerze" für eine Mogelpackung. Korrekter müssten diese Leuchtmittel als LED-"Licht" bezeichnet werden. Denn laut Thomann ist klar definiert, was eine Kerze ist: "Sie hat eine offene Flamme und einen Docht." Als vor rund 15 Jahren die ersten, stromsparenden LEDs auf den Markt kamen, habe es ernsthafte Befürchtungen gegeben, dass diese neuen Leuchtmittel auch aufgrund ihrer guten Öko-Bilanz den Kerzen Konkurrenz machen könnten. Inzwischen werden sie eher als "ergänzendes Produkt" gesehen, und es habe keinen Umsatzeinbruch gegeben.

Dennoch sorgt sich in Zeiten steigenden Umwelt- und Klimabewusstseins so mancher um die Öko-Bilanz seines Wachskonsums. Greenpeace etwa macht auf die mit dem Kerzenverbrauch oft verbundene Zerstörung von Regenwäldern aufmerksam. Schließlich wird für die Herstellung häufig Palmöl verwendet. Für dessen Produktion werden in Südostasien für das Weltklima wichtige Urwälder brandgerodet.

Kerzen aus dem Erdölprodukt Paraffin seien ebenfalls nicht ökologisch, erklärt Greenpeace-Mitarbeiterin Viola Wohlgemuth. Als umweltfreundlichere Alternative rät sie, auf Bienenwachskerzen oder vegane Ölkerzen - etwa aus regionalem Raps- oder Olivenöl - umzusteigen. So gebe es inzwischen dekorative Öllampen, deren Docht sich mit dem beigefügten Öl vollsaugt - "die Flamme ist genauso schön".

Feinstoffbelastung durch echte Kerzen

Katharina Istel, Referentin für Ressourcenpolitik beim Naturschutzbund (NABU) rät zu "sehr bedachtem" Kerzenverbrauch, vor allem aus Bienenwachs in Bioqualität. Zudem sollten Kunden auf das "RAL-Gütezeichen" mit gesundheits- und umweltorientierten Grenzwerten für die Inhaltsstoffe, Dochte und Lacke achten. Weil bei Teelichtern große Müllmengen von umweltschädlichem Aluminium anfallen, empfiehlt sie Produkte ohne Aluschale sowie Glasschalen, die sich neu befüllen lassen. Für LED-Produkte spreche deren "sehr gute Energieeffizienz", sagt Istel.

Dennoch sollten Verbraucher auf Qualität achten um sicherzugehen, dass die Beleuchtung jahrelang hält. Bleibt noch die Frage mit der Feinstoffbelastung durch echte Kerzen. Der ECA-Geschäftsführer gibt diesbezüglich Entwarnung.

Nachdem es vor wenigen Jahren im Kerzenland Dänemark wegen Feinstaubbelastung eine "massive Kampagne" gegen diese Leuchtmittel gegeben habe, gab das dortige Umweltministerium zur Überprüfung der These eine Studie in Auftrag. Das Ergebnis: Wenn eine Kerze nicht gerade - etwa weil sie im Luftzug steht oder ihr Docht zu lang ist - ruße, sei die Belastung gering. Das meiste, was beim Abbrennen an Feinstaub abgesetzt wird, seien wasserlösliche und ungefährliche Salze, ergänzt Thomann. Dieser Feinstaub dürfe nicht verwechselt werden mit den schädlichen, unlöslichen Partikeln etwa beim Reifenabrieb.

Greenpeace-Expertin Wohlgemuth hält dagegen: Das Abbrennen von Kerzen - egal ob aus Rapsöl oder Paraffin - sei mit Blick auf die Feinstoffbelastung in geschlossenen Räumen "definitiv ungesund", so die Chemikerin. Weitaus schädlicher sei allerdings die Belastung durch Zigarettenrauch. Und gemessen an anderen Feinstaubbelastungen im Alltag seien Kerzen "nicht die Gesundheitskatastrophe". Ihr Fazit: Ölkerzen - "und öfter mal das Fenster aufmachen".


Der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer, zündet nach dem Gottesdienst in der Kirche eine Kerze an / © Steffen Schellhorn (epd)
Der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer, zündet nach dem Gottesdienst in der Kirche eine Kerze an / © Steffen Schellhorn ( epd )

Brennende Kerzen beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz (KNA)
Brennende Kerzen beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz ( KNA )

Brennende Kerzen als Zeichen der Trauer / © Gudrun Münz (shutterstock)
Brennende Kerzen als Zeichen der Trauer / © Gudrun Münz ( shutterstock )

Kerzen bilden eine rote Schleife als ein Symbol für den Kampf gegen Aids / © Florian Schuh (dpa)
Kerzen bilden eine rote Schleife als ein Symbol für den Kampf gegen Aids / © Florian Schuh ( dpa )

Kerzen der Erstkommunionkinder / © Beatrice Tomasetti (DR)
Kerzen der Erstkommunionkinder / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
KNA