Expertin über Herausforderungen von christlichen Bibliotheken

Zwischen Denkmalschutz und konservatorischer Arbeit

Die ältesten Buchsammlungen der Welt stehen vor großen Herausforderungen. Es sei schwer, mit dem rasanten Tempo der technischen Entwicklung mitzuhalten, klagt die Leiterin der Salzburger Stiftsbibliothek Sankt Peter im Interview.

Stiftsbibliothek Sankt Gallen / © Harald Oppitz (KNA)
Stiftsbibliothek Sankt Gallen / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Sie beherbergen Schätze von enormem Wert und sind nach eigenen Angaben die vier ältesten Bibliotheken der Welt: die Biblioteca Capitolare di Verona, die des Katharinenklosters auf dem Sinai, die Stiftsbibliothek Sankt Gallen und die Stiftsbibliothek Sankt Peter in Salzburg. Vertreter der vier Institutionen treffen sich ab diesem Donnerstag in Salzburg mit Wissenschaftlern und beraten über Geschichte, Gegenwart und Herausforderungen christlicher Bibliotheken. Was erhoffen Sie sich von der Konferenz?

Sonja Führer (Leiterin der Salzburger Stiftsbibliothek Sankt Peter): Für mich ist spannend zu sehen, an welchen Themen andere Bibliotheken dran sind: ob sie zum Beispiel mit neuen Medien oder Veranstaltungen in ihrem Haus die Öffentlichkeit stärker ansprechen wollen. Wie gelingt es uns, auch andere Interessierte anzusprechen?

Wir wollen ein neues Bewusstsein für das Medium Buch und vor allem für das Medium altes Buch schaffen. Allerdings spielt in unseren jahrhundertealten Institutionen der Zeitdruck nicht so eine Rolle wie woanders. Wir setzen mehr auf Qualität und persönliche Betreuung.

KNA: Wie sieht die aktuelle Situation in Sankt Peter aus?

Führer: Sankt Peter sieht sich im Auftrag, den kulturellen Wert der Schriften zu erhalten, über Kataloge zu erschließen und für die Öffentlichkeit im Lesesaal zugänglich zu machen. Das Kloster ist aber eine private Institution und arbeitet ohne öffentliche Zuschüsse. Um das finanziell zu stemmen, profitieren wir von Kooperationen mit Universitäten und anderen Bibliotheken.

KNA: Vor welchen Herausforderungen steht die Bibliothek?

Führer: Wir reden von einem sehr alten Gemäuer, nicht von Stahlbetonbauten wie bei modernen Archivbauten. Deswegen müssen wir immer Kompromisse finden - zwischen Denkmalschutz und modernen konservatorischen Ansprüchen. Wir arbeiten in der Bibliothek außerdem mit einem kleinen Team: ein Mönch, eine Teilzeitkraft und ich. Wir wissen, welche Schätze hier liegen, und versuchen, sie für die Wissenschaft und die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Aber für uns ist es schwer, mit dem rasanten Tempo der technischen Entwicklung im Bibliothekssektor mitzuhalten, die auf elektronische Formate ausgerichtet ist.

KNA: Welchen Stellenwert haben christliche Bibliotheken heutzutage?

Führer: In unserem Fall: In den Handschriften und Drucken der Stiftsbibliothek wird die kulturelle Entwicklung Salzburgs dokumentiert, weil das Kloster seit Gründung der Stadt besteht. Das ist die regionale Komponente. Aber auch für die internationale Forschung sind die Sammlungen wichtig: Die alten Bestände stehen für Jahrhunderte der europäischen Geistesgeschichte und Theologie. Wir versuchen, im Bereich der Neuerscheinungen mit Sammelschwerpunkten wie Ordenspublikationen und christlicher Kunst eine Ergänzung in der Salzburger Bibliothekslandschaft anzubieten.

KNA: Warum sind im Stift Archiv und Bibliothek zwei Institutionen?

Führer: Wir unterscheiden inhaltlich: Die Dokumente, die mit der Hausgeschichte zu tun haben, befinden sich im Archiv; etwa Urkunden, aber auch Tagebücher oder Briefe der Mönche. In der Bibliothek liegen liturgische Handschriften, theologische Literatur und Bücher zum Mönchtum oder der Kirchengeschichte. Die Trennlinie zwischen Bibliothek und Archiv ist aber nicht ganz scharf.

KNA: Die Stiftsbibliothek ist eine der ältesten der Welt. Wie vollständig ist ihre Sammlung?

Führer: Trotz der Sammlungskontinuität seit dem achten Jahrhundert gab es immer wieder Einschnitte - sowohl von äußeren als auch von inneren Faktoren beeinflusst. Im 15. Jahrhundert gab es bei den Benediktinern eine Reformbewegung, bei der Bücher aussortiert wurden.

Auch politische Konflikte wie die napoleonischen Kriege führten zu Verlusten. In den Weltkriegen kam kaum etwas weg. Aber die finanzielle Notlage des Klosters während der Weltwirtschaftskrise in der Zwischenkriegszeit führte zu Verkäufen, unter anderem des berühmten Antiphonar von Sankt Peter.

Das Interview führte Maren Breitling.


Quelle:
KNA