Zweifel am Nutzen des bislang größten EU-Militäreinsatzes im Tschad

Rebellenangriffe und bewaffnete Überfälle

Am Wochenende ging im Tschad die bislang größte EU-Militärmission zu Ende. Die Vereinten Nationen übernehmen nun die Auffgaben. Der EU-Einsatz wird offiziell als Erfolg bezeichnet. Hilfsorganisationen sehen das anders. Die französische Organisation "Katholisches Komitee gegen den Hunger" nannte den Einsatz überteuert, das EU-Aufgebot habe nur "extrem schwache Ergebnisse gebracht". Tatsächlich beherrschen Angst und Unsicherheit weiter das Leben der Bevölkerung im Tschad.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Noch einmal Händeschütteln im Flüchtlingslager, noch einmal Lächeln vor den Kameras. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner besuchte am Sonntag den Osten des Tschad - am Tag, als die EU-Militärmission EUFOR ihren Einsatz beendete. Kouchner, selbst einst als humanitärer Helfer aktiv, nannte die bisher größte Militäraktion der EU einen Erfolg.

Oxfam kritisierte in der vergangenen Woche, Angst und Unsicherheit beherrschten weiter das Leben der Bevölkerung. Bewaffnete Gruppen rekrutierten zunehmend Kindersoldaten.  Selbst das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) äußerte sich zurückhaltend kritisch. Das Niveau an Sicherheit sei «nicht zufriedenstellend», zitierte die französische Tageszeitung «Le Figaro» am Montag den örtlichen UNHCR-Vertreter Serge Male.

Auch Hilfsorganisationen vor Ort, die aus Angst um Behinderungen ihrer Arbeit namentlich nicht genannt werden wollen, sagten der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), die EUFOR-Bilanz falle mager aus. Die Flüchtlingslager selbst seien bereits vor Beginn der EU-Militärmission relativ sicher gewesen. Rebellenangriffe auf Lebensmittellager oder Straßensperren von Banditen seien aber von den EU-Soldaten in der Regel nicht verhindert worden. Habe man sie in solchen Fällen zu Hilfe gerufen, seien sie zumeist zu spät gekommen. Und zudem seien für die Bevölkerung vor Ort die Lebenshaltungskosten durch die Anwesenheit der EU-Soldaten stark gestiegen.

Hilfsorganisationen nannten Beispiele dafür, dass es weiter zu Einbrüchen in Lager mit Hilfsgütern und zu Diebstählen von Geld und Fahrzeugen gekommen sei. Gelegentlich hätten die EU-Truppen Hilfe mit dem Hinweis verweigert, sie hätten eine Militär- und keine Polizeimission. Bei Rebellenübergriffen auf Dörfer hätten sich die EU-Soldaten damit begnügt, humanitäre Helfer vorübergehend in ihren Lagern zu beherbergen. Eine Lösung des Problems in der Region sei dagegen nur möglich, wenn die Straflosigkeit für Kriminalität und Gewalttaten beendet werde.

Dass aber war nicht das Ziel des EU-Einsatzes. Die EU-Truppen blieben denn nach Einschätzung vieler kirchlicher und humanitärer Beobachter im Tschad gefangen zwischen der gewollten strikten Neutralität gegenüber tschadischer Regierung und Rebellen. Ihr Mandat beschränkte sich ausdrücklich darauf, die Lager von Flüchtlingen und Vertriebenen und das Hilfspersonal zu schützen.

Ausdrücklich nehmen dabei kirchliche Stellen die Integrität der rund 3.300 Soldaten aus 23 Staaten von Kritik aus: Der Apostolische Präfekt von Mongo, Henry Coudray, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), den EU-Truppen habe es weder an gutem Willen, noch an Kompetenz gefehlt. Er sei vielmehr von der herausragenden Sachkenntnis der EU-Militärs überrascht gewesen.

Coudray äußerte Zweifel daran, dass sich durch den Übergang von einer EU- zu einer UN-Militärmission daran etwas ändern werde. Denn von jetzt an übernimmt eine UN-Blauhelmtruppe mit 5.200 Soldaten den bisherigen EU-Einsatz. Daran beteiligen sich auch bis zu 2.300 der schon anwesenden EU-Soldaten, die jetzt unter UN-Oberbefehl stehen. Die meisten der UN-Soldaten kommen künftig aber aus afrikanischen Staaten.

Deutsche Soldaten waren an dem EU-Einsatz nicht beteiligt und werden auch nicht an der UN-Blauhelmmission teilnehmen. Nach Schätzungen leben in der Region rund 235.000 Flüchtlinge aus dem Sudan und rund 185.000 Vertriebene aus dem Tschad. Sorge bereitet den Verantwortlichen, dass sich die Lage in der Region noch verschlimmern könnte. Nach der Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen den sudanesischen Präsidenten Omar el Baschir wies die Regierung in Khartum 13 Hilfsorganisationen aus. Jetzt wird befürchtet, dass neue Flüchtlingsströme in den Tschad kommen. Die ohnehin gespannte Lage könnte sich weiter zuspitzen.