Zwei Tote bei Protesten gegen UN-Soldaten in Haiti

Sündenbocksuche nach Cholera-Ausbruch

Aufgebrachte Demonstranten haben in drei haitianischen Städten Blauhelmsoldaten angegriffen. Lokale Medien berichten von zwei Toten und mehreren Verletzten. Die Demonstranten beschuldigen die UN-Friedensgruppe für die Cholera-Epidemie verantwortlich zu sein.

 (DR)

Brennende Polizeiposten

Wie das Online-Portal "Haiti Press Network" berichtete, kam es in Cap Haitien, der zweitgrößten Stadt Haitis, zu schweren Zusammenstößen. Während der Ausschreitungen errichteten mehrere Tausend Demonstranten Straßensperren und brannten einen Polizeiposten nieder. Die UN-Soldaten setzten dem Bericht zufolge Tränengas ein und gaben Warnschüsse ab. Auch in der Hauptstadt Port-au-Prince und der zentral gelegenen Stadt Hinche wurden UN-Soldaten mit Steinen angegriffen. Bei den Ausschreitungen wurden insgesamt zwei Demonstranten getötet und 19 verletzt.



Auch am Dienstag protestierten in Haiti Tausende Demonstranten gegen die UN-Friedenstruppen, wie lokale Radiosender berichteten. Sie werfen den UN-Truppen vor, die Seuche eingeschleppt zu haben, an der bislang mehr als 1.000 Menschen starben. 16.700 Menschen sind laut Behördenangaben an der Epidemie erkrankt.



"Schüsse töten nicht das Cholera-Bakterium"

Präsident René Préval rief die Haitianer zur Besonnenheit auf. Den Organisatoren der Demonstrationen warf er unlautere Absichten vor. "Sie wollen die Cholera-Epidemie und die Frustration der Leute ausnützen, um ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln", sagte Préval in einer Ansprache und fügte hinzu: "Steinwürfe, Barrikaden und Schüsse töten nicht das Cholera-Bakterium." Die Demonstranten werfen der Regierung Untätigkeit im Kampf gegen die Epidemie vor. Zugleich verlangten sie den Abzug der UN-Friedensmission aus Haiti.



In der Hauptstadt Port-au-Prince starben seit Ende Oktober mehr als 30 Menschen. Laut Gesundheitsministerium deutet das auf eine zunehmende Verbreitung der Epidemie in der Hauptstadt hin. Dort leben seit dem Erdbeben vom Januar Hunderttausende Menschen in Obdachlosenlagern. In der benachbarten Dominikanischen Republik kam es zu einem ersten Todesfall durch Cholera.



Weitere Ausbreitung über Haiti hinaus

Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) warnte am Dienstag vor einer weiteren Ausbreitung der Seuche. Nicht nur die Zahl der Fälle werde zunehmen. Auch über Haiti hinaus müssten die Länder des amerikanischen Kontinents mit Erkrankungen rechnen.



Die UN-Friedensmission dementierte den Vorwurf, die Seuche in das karibische Land eingeführt zu haben. Der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in Haiti, Nigel Fisher, warnte zugleich vor einer "gewichtigen Verschlimmerung" der Epidemie. "Laut den Epidemiologen werden wir die Zahl der Fälle deutlich steigen sehen", sagte er.



4,4 Millionen Reinigungstabletten für Trinkwasser

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte, bevor die Ursachen für den Cholera-Ausbruch untersucht werden könnten, müsse die Krankheit bekämpft werden. "Das ist jetzt wichtiger", sagte WHO-Sprecherin Fadela Chaib in Genf. Zudem betonte sie, dass die Cholera mit entsprechenden Mitteln schnell kuriert werden könne. Nach UN-Angaben wurden in den vergangenen Wochen etwa 4,4 Millionen Reinigungstabletten für Trinkwasser in Haiti verteilt. Der Cholera-Erreger verbreitet sich über verseuchtes Wasser.



Die Cholera trat erstmals am 20. Oktober in der nördlichen Provinz Artibonite auf, in der Nähe eines mit nepalesischen Soldaten besetzten UN-Postens. Seither verbreitete sie sich laut Fisher auf das ganze Land. Hilfswerke warnen vor einem möglichen Übergreifen auf die Flüchtlingslager in der Hauptstadt, wo seit dem Erdbeben im Januar Hunderttausende von Obdachlosen leben.



Die UN unterhalten seit dem gewaltsamen Sturz des damaligen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide im Jahr 2004 ein Friedenskontingent in Haiti. Es umfasst derzeit 12.600 Blauhelm-Soldaten und Polizisten.