Zur Macht der Sprache

Diskussion statt Streit

Donald Trump ist im Wahlkampf um das Amt des US-Präsidenten als populistischer Sprücheklopfer aufgetreten - mit Erfolg. Im domradio.de - Interview erzählt Thomas Arnold, welche Macht Sprache haben kann.

Sprache und Macht / © Jens Büttner  (dpa)
Sprache und Macht / © Jens Büttner ( dpa )

domradio.de: Am Mittwochabend gab es eine schon länger geplante Diskussionsrunde mit dem Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss und dem FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube zur Macht der Sprache bei Ihnen in der Katholischen Akademie in Dresden. Wie haben die Diskussionspartner das wahrgenommen: War die Wahl in den USA eine Antwort der Angst?

Thomas Arnold (Direktor der Katholischen Akademie, Dresden): Beide waren natürlich auch überrascht, das hat man gemerkt. Wir hatten die Veranstaltung eigentlich angesetzt mit Blick auf den 9. November. Reichspogromnacht und Mauerfall, das sind zwei wichtige Ereignisse, die in ganz verschiedene Richtungen gehen, und auch besonders von der Sprache geprägt wurden. Jetzt hat man nach diesem Wahlkampf in ganz besonderer Weise auf die USA geblickt.

Im Rückblick war es nicht nur eine Wahl der Angst und eine Antwort auf Angst, sondern auch eine Reaktion gegen das Establishment. Also das Ringen darum, dass über Wochen und Monate hinweg eingebläut wurde: Clinton und Co. seien eine raffgierige Elite, die die Sorgen der Menschen nicht mehr wahrnehme, aber Trump und seine Partei seien für ihre Anliegen da. Man merkt, dass ein Resonanzverhältnis zwischen Politik und Gesellschaft verloren gegangen ist. Das wurde nicht nur inhaltlich ausgedrückt, sondern auch sprachlich auf ganz unterstem Niveau.

domradio.de: Der Wahlkampf war phasenweise eine wahre Schlammschlacht. Verbal war auf beiden Seiten einiges unter der Gürtellinie. Was ist die Essenz aus der Diskussion gestern: Wie viel Streit braucht eine Demokratie?

Arnold: Zunächst muss man schauen, was Demokratie ausmacht. Demokratie ist immer eine Interessenvertretung, ein Ringen um Positionen und Argumente und am Ende aber auch eine Konsensfindung. Für all das braucht es Streit, braucht es Diskussionen. Jürgen Kaube hat darauf hingewiesen, dass auch eine Diskussion sprachliche Verkürzung aushalten müsse. Ebenso ist es eine Erscheinung unserer Zeit, dass wir immer mehr verkürzen: Sei es die Werbung, die von Bildern und kurzen Sprachtexten dominiert wird, oder auch in sozialen Medien, wie Facebook oder Twitter mit 160 Zeichen.

Die gesellschaftliche Verkürzung funktioniert, solange die Leute die vollständige Botschaft verstehen. Kritisch wird es erst dann, wenn dieser Kontext nicht mehr verstanden wird. Jürgen Kaube hat darauf hingewiesen, dass er es interessant fand, dass Trump pure Unterhaltung gewesen sei, die Leute aber noch gewusst hätten, was dahinter steht. Es war für ihn eher die Ablehnung der Eliten, die zu dieser Wahl geführt habe.

domradio.de: Nun hat mit Trump ein weiterer Populist in der Politik das Rennen gemacht. Gab es eine Handlungsanweisung: Wie gehen wir mit dem Populismus um, der das Argument nicht mehr ernst nimmt?

Arnold: Die Frage steht natürlich im Raum: Nehmen wir sie ernst, sprechen wir mit ihnen, oder ignorieren wir sie? Beide haben sich ganz ausdrücklich dafür ausgesprochen, im Gespräch zu bleiben und ganz cool zu bleiben, auch wenn populistische Thesen, Emotionen geschürt werden. Nicht diese aufzugreifen und einen Gegenschrei entgegenzusetzen, um damit den Lärmpegel zu erhöhen, sondern diese sprachliche Entgleisung auszuhalten und ihnen mit Sachthemen zu begegnen.

Das war die große Botschaft des Abends. Zugleich war die Botschaft, eine Reproduktion des Bildes, das da gebaut wird, zu vermeiden. Das ist aber auch eine Herausforderung. Als Beispiel kam da das Thema "Waffen für Grenzkontrollen" auf. Wir haben im letzten Jahr lange Zeit darüber diskutiert, und alle regten sich auf. Die Populisten haben damit Zeit gewonnen, statt Angebote zu machen, darzustellen, was sie eigentlich machen wollen, wie sie unser Europa der Zukunft gestalten wollen. Da war in der Diskussionsrunde die große Botschaft, Sachthemen und dann auch Inhalte zu diskutieren und Phrasen wegzulassen.

domradio.de: Lassen Sie uns auf uns Christen gucken: Wie sieht das Streitthema aus Kirchensicht aus? Kirche ist bekanntermaßen wenig demokratisch. Aber sollten wir mehr Diskussionen zulassen?

Arnold: Es kam die Frage auf: Was ist eigentlich Streit? Müssen wir Streit aushalten oder Diskussionen aushalten? Und in unserer Runde lief es auf eine Definition heraus, dass Streit immer ein übereinander Reden ist und die Diskussion ein miteinander Reden. Wenn wir uns also in der Kirche streiten, dann würde ich mir wünschen, dass wir Diskussionen aushalten, dass wir miteinander reden und verschiedene Positionen ertragen.

Wir haben das jetzt bei der Berliner Hedwigs-Kathedrale gesehen, wo es verschiedene Positionen gab. Wir erleben es im Vatikan bei den Synoden, wo es verschiedene Positionen gibt. Ich glaube, wir dürfen dazu Mut haben – auch in der Kirche. Dazu gehört, dass nach einer Entscheidung die Kunst jedes einzelnen darin besteht, diese Entscheidung, diesen Konsens anzunehmen. Trotzdem sollten wir weiter diskutieren, auch in der Kirche!

Das Gespräch führte Tobias Fricke.


Thomas Arnold (Bistum Dresden-Meißen)
Quelle:
DR