Zur Jahrhundertkälte lädt ein Brüsseler Hotel Obdachlose ein

Zweites Weihnachten im "Hotel Mozart"

Für Fons Fierens ist es wie ein zweites Weihnachtsfest. Eine Woche kann er im "Hotel Mozart" übernachten. Mit drei weiteren Obdachlosen schläft er in einem Zimmer der Drei-Sterne-Herberge. Benjamin Ahmed ist der Besitzer. Schon früher kam der gläubige Muslim auf die Idee, die Zimmer im Januar an Obdachlose zu vergeben, wenn das Geschäft saisonbedingt eher flau war.

Autor/in:
Klaus Nelißen
In guter Lage: Hotel Mozart in Brüssel (KNA)
In guter Lage: Hotel Mozart in Brüssel / ( KNA )

"Das Frühstück ist ausgezeichnet - besonders der Kaffee", sagt der ehemalige Busfahrer, der seit drei Jahren auf der Straße lebt. Wegen der Jahrhundertkälte hat das Hotel gleich 60 Betten zur Verfügung gestellt - inklusive Frühstück. Das "Hotel Mozart" liegt in direkter Nähe zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der belgischen Hauptstadt, zwischen Rathaus am "Grand'Place" und "Manneken Pis". Unter den zahlreichen Touristen-Restaurants, Gyros-Schmieden und Bier-Ställen sticht das Hotel am Käsemarkt durch sein ungewöhnliches Dekor heraus.

Benjamin Ahmed ist der Besitzer. Ein wuseliger Macher. Vor 16 Jahren eröffnete er das "Hotel Mozart" im einem Haus aus dem 17.
Jahrhundert. Ahmed spielt gern Klavier, daher der Hotelname. Doch die überbordende Innendekoration mutet eher arabisch an. Er hat sie selbst gestaltet. "Das Besondere liegt im Detail", sagt der gebürtige Marokkaner. Schon in der Lobby treffen Ölschinken-Kunstdrucke im Goldrahmen auf arabische Ornamente und bunte Fliesen. Jedes Zimmer mischt originell Stile von Marokko bis Rokoko. Ästheten würden dies als Kitsch bezeichnen. In Ahmeds Hotel weiß das Auge vor lauter Einrichtung gar nicht, wo es hin will.

Schon früher kam der gläubige Muslim auf die Idee, die Zimmer im Januar an Obdachlose zu vergeben, wenn das Geschäft saisonbedingt eher flau war. Immer wieder nahm er einige auf. "Gutes tun gehört zu meinem Glauben und ich habe als Kind selbst gelernt, was es heißt, arm zu sein", sagt der 54-Jährige. Ahmed kam im Alter von 16 Jahren über die USA nach Belgien. Er hat sich mit dem 84-Zimmer-Hotel eine passable Existenz geschaffen. "Uns geht es prächtig - warum nicht etwas davon abgeben?", fragt der exzentrische Besitzer, als sei es das Natürlichste auf der Welt.

Ist es nicht. Für den sozialen Notfalldienst von Brüssel, CASU, ist das "Hotel Mozart" eine wichtige Stütze in den Nächten der Jahrhundertkälte. Minus 14 Grad zeigte das Thermometer in der Nacht zum Donnerstag. 300 Betten stellt CASU in Obdachlosenunterkünften - da freute man sich über den Anruf des Hotelbesitzers am Dienstag. Am Abend zuvor hatte Ahmed mit seinem Sohn vom Kältetod eines Obdachlosen in Löwen gehört. "Yunis sagte mir: Du musst was tun", berichtet Ahmed. Also meldete er sich bei CASU und die brachten die Obdachlosen gleich mit Bussen ins Hotel. Doch nicht nur das: Ahmed machte sich auf den Weg zum nahe gelegenen Zentralbahnhof und lud vier Obdachlose persönlich ein. "Ihre Hunde durften sie natürlich mitbringen - das ist für die wie ihre Familie", erklärt der Hotelbesitzer.

Die besonderen Gäste können kommen und gehen wann sie wollen. Sie können bis zu einer Woche bleiben und haben nur eine Maßgabe: sich gegenüber den Gästen nicht auffallend verhalten. Frühstück gibt es für die Obdachlosen gemeinsam mit den zahlenden Gästen. "Diese sagen mir, das sei eine einmalige Erfahrung", sagt Ahmed, der Gruppen aus der ganzen Welt empfängt und für seine Gäste auch schon mal auf dem Klavier vorspielt.

Für den Obdachlosen Fons Fierens ist die größte Freude jedoch nicht das prächtige Zimmer mit Stuck, Porzellanfigürchen und der Aussicht über die Dächer von Brüssel: Er liebt den Fernseher. "Das gibt es in den normalen Obdachlosenunterkünften nicht" sagt der 52-Jährige und schaltet - die Fernbedienung entspannt in der Hand - noch mal schnell in den Wetterbericht.