Zur Geburt des achtmilliardsten Erdenbürgers

Heute noch ein Kind bekommen?

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wird an diesem Dienstag der achtmilliardste Mensch geboren. Die Rahmenbedingungen für die Familienplanung waren angesichts zahlreicher globaler Krisen schon mal besser.

Autor/in:
Angelika Prauß
Babyfüße in den Händen der Mutter / © Liudmila Fadzeyeva (shutterstock)
Babyfüße in den Händen der Mutter / © Liudmila Fadzeyeva ( shutterstock )

"Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen", dieser Satz soll auf den Reformator Martin Luther zurückgehen.

Ähnliches könnte heute manches junge Paar im übertragenen Sinne mit Blick auf die Familienplanung formulieren. Angesichts von Klimakrise und zahllosen politischen Unwägbarkeiten stellt sich die Frage: Wollen wir heute noch ein Kind bekommen?

Hände halten gestrickte Babyschuhe am Stand der Initiative Kaleb beim 102. Deutschen Katholikentag am 28. Mai 2022 in Stuttgart. / © Julia Steinbrecht (KNA)
Hände halten gestrickte Babyschuhe am Stand der Initiative Kaleb beim 102. Deutschen Katholikentag am 28. Mai 2022 in Stuttgart. / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Dabei gab es zu allen Zeiten wirtschaftliche und politische Unwägbarkeiten, Hungersnöte und Kriege, in denen Kinder geboren wurden und allen Widrigkeiten zum Trotz aufgewachsen sind - so im von Epidemien und Hungersnöten heimgesuchten Mittelalter, in den Trümmern des Ersten und Zweiten Weltkriegs, während des Kalten Krieges mit der latenten Gefahr eines Atomkrieges.

Heute kommen Unwägbarkeiten durch zunehmende Naturkatastrophen und den Klimawandel hinzu, die die Familienplanung junger Menschen in westlichen Gesellschaften infrage stellen. 2017 sorgte eine wissenschaftliche Studie schwedischer und kanadischer Wissenschaftler zur Klimabilanz für Aufsehen, in der als wirksamste Maßnahme gegen die Erderwärmung der Verzicht auf Kinder genannt wird. Demnach bedeutet jedes nicht in die Welt gesetzte Kind eine CO2-Einsparung von 58,6 Tonnen im Jahr. Ein Leben ohne Auto dagegen biete pro Jahr nur ein Einsparpotenzial von 2,4 Tonnen.

Internationaler Gebärstreik

Aus Sorge vor der Klimakrise und Angst vor einer durch den Klimawandel kaum noch bewohnbaren Welt haben sich in den USA und anderen Ländern inzwischen Frauen unter "#birthstrike" - Gebärstreik - zusammengeschlossen, die bewusst auf Nachwuchs verzichten. Die Bewegung soll auf die britische Sängerin Blythe Pepino zurückgehen. Anliegen der Bewegung ist es, sich ohne Kind aktiver in den Klimaschutz einbringen zu können und überhaupt Emissionen durch neue Erdenbürger zu verhindern.

Angst vor Verantwortung oder überhaupt Zukunftsangst ist "einer von mehreren häufig genannten Gründen", wenn angehende Eltern eine Schwangerschaftskonfliktberatung aufsuchen, sagt Sozialpädagogin Monika Miedl, Beraterin bei Donum Vitae in Mühldorf-Altötting. In ihrem privaten Umfeld gebe es "großes Verständnis, wenn jemand aus Sorge um die Weltlage keine Schwangerschaft mehr wagt".

Hälfte der Kinder ungeplant

In der Schwangerschaftskonfliktberatung gehe es indes weniger um Sorgen aus der politischen oder wirtschaftlichen Großwetterlage, sondern "immer um Persönliches": einen abwesenden Partner, einen Mann, der nicht zu seinem Kind stehe, die Aussicht auf einen lange ersehnten Ausbildungsplatz, die mögliche Überforderung durch eine weitere Schwangerschaft. "Die Themen bleiben über die Zeit ähnlich."

Eine Frau mit einem Schwangerschaftstest / © wavebreakmedia (shutterstock)
Eine Frau mit einem Schwangerschaftstest / © wavebreakmedia ( shutterstock )

Selbst heute komme die Hälfte der Kinder ungeplant, so Miedl. Die Beraterin räumt ein, dass es durchaus Zeiten und Umstände gebe, wo Kinder eine ganz besondere Herausforderung seien. Sie staune bei vielen ihrer Klientinnen, "unter welchen Bedingungen sie den Mut haben, einem Kind das Leben zu schenken".

Mut und Lebenszuversicht

Die evangelische Theologin und mehrfache Großmutter Margot Käßmann setzt auf christliche Zuversicht. Sie könne verstehen, dass sich die heutige Generation Sorgen um die Zukunft mache, schreibt sie in einem Herder-Beitrag. Um sich heute für ein Kind zu entscheiden, bedürfe es zum einen Mut und einer gewissen Lebenszuversicht. Denn Schwangerschaft, Geburt und das Leben mit einem Kleinkind seien auch heute "kein Spaziergang". Auch Gottvertrauen dürfe nicht fehlen. "Auch wenn ich nicht alles im Griff habe, bin ich Teil des Lebens, das Gott geschaffen hat." Das schütze nicht vor allem Leid, gebe aber die Kraft, "mit dem Leid zu leben".

Käßmann plädiert dafür, sich zu engagieren, "damit diese Welt für alle lebenswert wird und lebensfähig bleibt". Und sie gibt zu bedenken: Wer keine Kinder mehr in diese Welt setzen wolle, "hat doch alle Hoffnung verloren, dass wir sie verbessern könnte".

Quelle:
KNA