Misereor schlägt zu Beginn der Fairen Woche Alarm

Zunahme der Kinderarbeit weltweit

Die Faire Woche beginnt an diesem Freitag und macht auf schlechte Arbeitsbedingungen weltweit aufmerksam. Das Hilfswerk Misereor ist alarmiert. Vor allem der Anstieg von Kinderarbeit, die zuletzt rückläufig war, bereitet große Sorge.

Kinderarbeit / © Doidam 10 (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Das Motto der Fairen Woche lautet in diesem Jahr "Zukunft fair gestalten, fair handeln, für Menschenrechte weltweit". Wie wichtig ist Ihnen das Thema?

Wilfried Wunden (Referent bei Misereor für den fairen Handel): Wir haben als Hilfswerk Misereor immer Projekte in aller Welt unterstützt. Aber uns ist ganz klar, dass diese Projekte in aller Welt politische Unterstützung brauchen, dass es auch um Strukturen im Welthandel geht, dass Arbeitsbedingungen besser werden. Das kann man nicht nur über Projekte regeln oder besprechen.

Wir sind auch dafür angetreten, um diese Menschenrechte und diese Arbeitsrechte zu ermöglichen. Wir müssen auch ganz dringend hier im globalen Norden mit den Leuten über solche Themen sprechen und Aktionen dazu durchführen, um Missstände beseitigen zu können.

DOMRADIO.DE: Konkret geht es in diesem Jahr um menschenwürdige Arbeitsbedingungen und um wirtschaftliches Handeln. Wie kam es denn zu diesen Themen?

Wunden: Jedes Jahr wird neu überlegt, was könnte eine Rahmenthema sein? Gerade das Thema Arbeitsbedingungen ist für den fairen Handel ganz besonders wichtig. Dabei geht es um Sicherheit am Arbeitsplatz. Es geht aber auch darum, dass Menschen gerecht entlohnt werden für ihre Arbeit oder für die Erzeugnisse, die sie zum Beispiel auf ihrem Bauernhof herstellen. Das gilt weltweit, aber das gilt auch ganz genauso hier in Deutschland.

Deswegen haben wir solche Themen und bringen solche Themen in die öffentliche Diskussion. Wir wollen mit Leuten ins Gespräch kommen. Diesmal mit dem Schwerpunkt auf dem Thema Arbeitsbedingungen.

DOMRADIO.DE: Misereor fördert die Aktionswoche. Was steht denn in diesen zwei Wochen alles auf dem Programm?

Wunden: Jede Menge, es sind insgesamt 1.700 Aktionen angemeldet. Das geht vom Schulweltladen bis zum Discounter, von der Kirchengemeinde bis hin zu Stadtverwaltungen, die sich mit der Bevölkerung über faire Beschaffung unterhalten wollen. Es gibt eine bunte Palette von Podiumsdiskussionen, fairem Frühstück, viele engagieren sich auch im Vorfeld der Bundestagswahl, sprechen mit Politikerinnen und Politikern, was sie denn in den nächsten vier Jahren vorhaben.

Davon lebt auch die Aktion, denn sie soll ja in die Breite gehen, dass am Ende jeder weiß, wofür der Faire Handel steht.

DOMRADIO.DE: Schauen wir mal auf Millionen Menschen, die unter unwürdigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen arbeiten gehen und trotzdem nicht genug verdienen. Jetzt kommt da auch noch die Corona-Pandemie dazu. Was muss getan werden, um diese Situation zu entschärfen?

Wunden: Die Corona-Pandemie ist ja alles andere als überwunden. Wir haben eine ganz große Ungerechtigkeit in Bezug auf die Verteilung von Impfstoffen. Deswegen diskutieren wir natürlich auch stark in aller Welt über das Thema Impfen. Wir versuchen hier auch Einfluss auszuüben. Aber weltweit wird uns diese Pandemie noch einige Zeit beschäftigen.

Das hat natürlich Auswirkungen auch auf Arbeiterinnen und Arbeiter. Die Internationale Arbeitsorganisation hat zum Beispiel festgestellt, dass mit Beginn der Corona-Pandemie weltweit die Löhne stark gedrückt worden sind. Dass viele Leute nicht zurück zu ihrer Arbeit konnten oder dass sie jetzt wieder gezwungen werden zu arbeiten, obwohl es keine entsprechenden Hygiene-Bedingungen gibt, ist ein weltweites Phänomen.

Der Faire Handel ist angetreten, auch um solche Themen hervorzuholen. Wir haben uns vor allen Dingen stärker um das Thema Textilien gekümmert. Sie müssen sich vorstellen, dass zum Beispiel Arbeiterinnen in Bangladesch ohne hygienische Möglichkeiten vor Ort tatsächlich wieder arbeiten mussten. Da wird ein starker Druck ausgeübt, und das macht uns große Sorgen.

DOMRADIO.DE: Kinderarbeit gibt es weltweit. Die Vereinten Nationen haben eigentlich beschlossen, die Kinderarbeit bis 2025 zu beenden. Wie realistisch ist das?

Wunden: Angesichts der Tatsache, dass die Kinderarbeit auch schon vor der Corona-Pandemie wieder angestiegen ist, denken wir nicht, dass das besonders realistisch ist. Das ist doppelt bitter, weil wir eigentlich seit den 1990er Jahren eine sehr gute Entwicklung zu verzeichnen hatten. Da ist gerade die ausbeuterische Kinderarbeit von kleineren Kindern, im Alter von fünf bis zwölf Jahren, stark zurückgegangen. Vor allem in Lateinamerika, aber auch in Asien.

Zuletzt haben wir an Zahlen gesehen, die meist Schätzungen sind, dass wieder mehr Kinder ausbeuterisch arbeiten, zuletzt 152 Millionen, jetzt wieder eine Zahl von 160 Millionen. Es gibt also eine leichte Steigerung. Jetzt kommt nochmal die Corona-Pandemie obendrauf, die auch einiges erschwert, alleine um Überprüfungen im Bereich Kinderarbeit zu machen. Denn da geht es auch stark um Kontrolle von Arbeitsplätzen.

Dies alles führt dazu, dass wir befürchten, dass Kinder weniger zur Schule gehen. Und der Faire Handel möchte ja einerseits Produkte anbieten, von denen man weiß, dass keine Kinderarbeit dabei ist. Aber zugleich möchte sie natürlich auch überall darauf hinweisen, wo es Kinderarbeit gibt und einfach auch politisch Einfluss nehmen, dass Kinderarbeit nicht der Zukunft angehören soll, sondern dass sie bald Vergangenheit ist.

Das Interview führte Hannah Krewer.


Wilfried Wunden, Misereor (MISEREOR)
Wilfried Wunden, Misereor / ( MISEREOR )
Quelle:
DR
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