Zum Tod des österreichischen Zeichners Paul Flora

Singuläre Erscheinung

Reisen war ihm eher eine Last. Dafür gingen seine Bilder um die Welt.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Im Laufe seines über fünf Jahrzehnte währenden Schaffens hat sich der österreichische Zeichner und Graphiker Paul Flora eine große Fangemeinde in vielen Ländern erobert. Am Freitag ist der Künstler, der eine kauzig-liebenswerte Bodenständigkeit mit feinsinnigem Humor verband, im Alter von 86 Jahren in Innsbruck gestorben. Einen "Bilderschriftsteller" nannte der Autor Erich Kästner den Zeichner, dessen Bücher seit 1953 im schweizerischen Diogenes Verlag erschienen, dem er zeitlebens treu blieb. "Scheu war er wohl, aber ein Barockschrank von einem Mann", erinnert sich der Verleger und spätere Freund Daniel Keel, der mit Flora den Vertrag aushandelte.

Bereits das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit "Floras Fauna - eine abendzeitliche Biologie in 77 neuzeitlichen Bildern mit überflüssigen Kommentaren versehen von Wolfgang Hildesheimer" geriet zum Bestseller. Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse zählte den Band mit den grotesken Zeichnungen des Österreichers zu einem seiner Lieblingsbücher.

Parallel dazu machte sich Flora als politischer Karikaturist einen Namen. Zunächst in der "Neuen Zeitung" in München, später dann, von
1957 bis 1971, für die "Zeit" in Hamburg. Über 3.000 Zeihnungen verschafften ihm bei den Lesern eine große Popularität. Hinzu kamen Tätigkeiten für internationale Blätter wie "The Times" in Großbritannien oder "Dagens Nyheter" in Dänemark. Die Fäden zu diesen Engagements spann Flora von seinem Innsbrucker Wohnhaus aus, das er seit 1947 bewohnte: die Hungerburg. "Eine schöne Adresse. Das hilft dem Geschäft", kommentierte er einmal mit leichtem Sarkasmus, als er sich um sein persönliches Auskommen längst keine Sorgen mehr machen musste.

Sein besonderer, von sparsamer Farbgebung geprägte Zeichenstil mit Tuschfeder, Bleistift oder Aquarellfarbe sicherte ihm europaweit einen hohen Wiedererkennungswert. Und zu späteren Zeiten einen stets gut gefüllten Weinkeller durch den Südtiroler Lieferanten seines Vertrauens, für dessen Abfüllungen er im Gegenzug Flaschenetiketten entwarf. Abseits des Tagesgeschäfts zählten Darstellungen des venezischen Karnevals, Gestalten der italienischen Volkskomödie oder Herbstlandschaften zu immer wiederkehrenden Motiven des Künstlers. Allen voran aber stand Floras persönliches Wappentier, der Rabe.

Das spitzschnabelige Tier symbolisiert den melancholischen und fantastischen Zug seines Oeuvres, der im Alter immer stärker hervortrat. "Ich habe einen Hang zu Unheimlichkeiten, abgemildert allerdings ins ironisch Liebenswürdige", bekannte Flora in einem seiner letzten Interviews. Zugleich verbindet ihn der Rabe in gewisser Weise mit einem anderen großen Humoristen: Loriot alias Vicco von Bülow, der die französische Übersetzung für den familieneigenen Wappenvogel Pirol als Pseudonym führt.

Eine Begegnung der beiden hinterließ offenbar einen bleibenden Eindruck. Es handelte sich um eine gemeinsame Signierstunde in einer Bücherei, wie Loriot sich einmal erinnerte. "Während ich in stereotyper Akkordarbeit ein Nasenporträt nach dem anderen unter die aufgeschlagenen Titel setzte", habe Flora in jeden vorgelegten Band beschaulich eine Zeichnung nach Wunsch gefertigt und den zeichnerischen Wettstreit mit der Bemerkung quittiert: "Ein nicht signiertes Buch von Loriot ist eine literarische Kostbarkeit." Es sind auch solche Anekdoten, die Paul Flora zu einer "singulären Erscheinung" innerhalb der Kunstszene werden ließen.