Strittig ist das zum allgemeinen Verbot erhobene religiöse Gebot, wonach während des Pessachfestes nur ungesäuerte Lebensmittel gegessen werden dürfen. Eine Woche lang essen die frommen Israelis keine Hefeprodukte. Auch Brot, Bier oder Essiggurken sind in dieser Zeit tabu.
Für Gärung bis in die israelische Regierung hinein sorgte kürzlich eine Richterin in Jerusalem. Sie entschied, dass in Bäckerläden und Restaurants durchaus gesäuertes Brot verkauft werden darf. Das Verbot gelte nur für die Auslage von «gesäuerten» Waren im Schaufenster, urteilte die Richterin und folgte der Argumentation von Geschäftsleuten, die unerlaubt Erzeugnisse verkauft hatten. Bisher waren in Supermärkten die Regale verhängt oder ausgeräumt.
«Das ist ein Angriff auf das Judentum», empörte sich ein Sprecher der strengorthodoxen Schas-Partei. Die Partei, die in der Regierung Olmert etwa den Religionsminister stellt, macht sich dafür stark, das Chametz-Gesetz, das Gesäuertes aus dem öffentlichen Leben verbannt, zu verschärfen. In einer Sondersitzung der Knesset bekräftigten die religiösen Parteien ihre Forderung nach einem kategorischen Verbot.
In der israelischen Gesellschaft ist dieser Widerspruch schon länger virulent: Israel begeht seine Feiertage nach dem jüdischen Kalender, ist zugleich aber eine säkular geprägte Gesellschaft, in der manche Feiertage bedeutungslos geworden sind, andere neu interpretiert werden. Nahezu 80 Prozent der Israelis halten sich nicht an die strengen Gebote, die von der frommen Minderheit befolgt werden. Während sich ein Teil der Bevölkerung vor Pessach intensiv um die Beseitigung selbst mikroskopischer Hefespuren bemüht, ist dies dem anderen Teil viel unwichtiger.
Bereits Wochen vor dem Fest wird 120.000 Kühen in Israel Futter aus gesonderten Lagerbeständen vorgesetzt, die keinen Gärungsprozessen ausgesetzt sind. Milch, aber auch Eier oder Hundefutter alles muss zu Pessach besonders koscher sein. Jüngst beschwerten sich Angehörige einer Elite-Einheit der Armee, dass sie abkommandiert wurden, um für eine koschere Küche zu sorgen: Alle Öfen, Kühl- und Vorratsschränke sowie das Besteck müssen durch Reinigung mit kochend heißem Wasser auf das Pessach-Fest vorbereitet werden. Einige Soldaten empfanden diesen Küchendienst als Demütigung.
In vielen Auslegungsfragen sind sich die Rabbiner traditionell uneins. So essen die Juden aus den orientalischen Ländern Reis und Hülsenfrüchte, bei den Juden europäischer Herkunft stehen diese Speisen zu Pessach auf dem Index. Auch beim Urteil der Richterin gab es einige Rabbiner, die keineswegs das Judentum in seinen Grundfesten erschüttert sahen. «Das Gesetz gegen die Auslage von Brot wurde vor sieben Jahren eingeführt», argumentierte ein Rabbiner in Tel Aviv.
Seitdem habe die freiwillige Teilnahme an den Pessach-Vorbereitungen abgenommen.
Zum Pessach-Fest offenbart sich tiefe Kluft zwischen frommen und säkular eingestellten Israelis
Kulturkampf über gesäuertes Brot
"Pessach kommt, Pessach kommt...", heißt es in einem israelischen Volkslied, das zum "Fest der ungesäuerten Brote" die Ankunft des Frühlings bejubelt. In diesem Jahr sorgt das Pessachfest, das am Vorabend des 20. April beginnt, in Israel wieder für eine Art Kulturkampf. Für fromme Juden ist Pessach vor allem das Fest der Reinigung - nicht nur des exzessiven Frühjahrsputzes im Haus, sondern auch des Geistes. Den weniger Frommen ist es hingegen das achttägige Frühlingsfest, das an den Auszug der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten erinnert.
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