Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen

"Gewalt kommt in allen Schichten vor"

25 Prozent der Frauen in Deutschland werden Opfer von Gewalt. Das Gewaltschutzzentrum vom Sozialdienst katholischer Frauen in Köln berät die Opfer. Die Leiterin, Karolin Balzar, spricht im domradio.de-Interview über ihre Arbeit.

Gewalt gegen Frauen (dpa)
Gewalt gegen Frauen / ( dpa )

domradio.de: Was bieten Sie an für Frauen, die Gewalt erfahren haben?

Balzar: Unser Gewaltschutzzentrum bietet Beratung für frauen an, Krisenintervention, Beratung für Frauen mit Kindern, das heißt, wir werden die Kinder auch beraten und Beratung auch für Frauen, die wieder ins alltägliche Leben zurückfinden möchten und dort auch beruflich und wohnungsmäßig eine Unterstützung brauchen.

domradio.de: Haben Sie da eine Art Ziel, wenn Sie da mit den Frauen sprechen und sie beraten?

Balzar: Frauen, die zu uns kommen, kommen in der Regel in einer sehr akuten Notlage, nämlich aus einer gewaltbezogenen Beziehung, und das oberste Ziel ist natürlich erstmal der Schutz der Frauen. Weitere Ziele bestimmen die Frauen, das heißt, die leiten uns quasi durch ihre Ziele durch und bekommen deswegen auch in unterschiedlicher Art und Weise ihre Unterstützung. Aber das Hauptziel ist Schutz

domradio.de: Aber das heißt nicht, dass Sie unbedingt wollen, dass die Frauen raus aus den Verhältnissen kommen, raus aus der Beziehung, in der sie sind?

Balzar: Nein, das steht uns überhaupt nicht zu, das zu wollen, sondern wir können nur das anbieten, was die Frauen auch annehmen können und können auch in diesem Bezug mit den Frauen mitgehen. Das kann sein, dass die Frauen sagen, ich möchte raus aus dieser Beziehung, das kann sein, dass die Frauen sagen, ich möchte in der Wohnung bleiben, wie kann ich die halten, oder ich möchte einen neuen Versuch mit meinem Partner machen, was könne Sie mir da für Unterstützung geben? Also, das ist sehr vielfältig und es gibt von unserer Seite in keiner Weise etwas Vorgefertigtes, weil wir denken, das ist das Allerbeste. 

domradio.de: Wie beurteilen Sie denn dann den Erfolg Ihrer Beratungen eigentlich? Wie, würden Sie sagen, wird das angenommen und was bringt es tatsächlich für die Frauen?

Balzar: Die Frauen, die zu uns kommen, nehmen das Beratungsangebot an. Wir sehen das auch teilweise, dass Frauen auch nach einer längeren Zeit nochmal zu uns kommen, weil sie vielleicht den Weg mit dem Partner nochmal gesucht haben, es aber dann wieder zu häuslicher Gewalt gekommen ist. Das heißt, sie haben sich hier aufgehoben gefühlt. Erfolg ist relativ schwer messbar. Wenn wir es schaffen, ein oder zwei Ziele mit den Frauen zu erreichen, ist das ein Erfolg.

domradio.de: Jetzt gibt es ja das Stereotyp, häusliche Gewalt kommt nur in ausländischen Familien vor, in Familien mit Migrationshintergrund, in sozialschwachen Familien. Stimmt das? Ist das Ihre Erfahrung?

Balzar: Das ist nicht unsere Erfahrung, das ist ein Mythos. Gewalt kommt in allen Schichten vor. Man hat es natürlich gern, dass man eine Randgruppe benennt, weil das ein sehr unangenehmes Thema ist, aber es gibt diese Randgruppen nicht. Wie gesagt, es kommt in allen Schichten vor und wir haben auch Frauen von Rechtsanwälten und von Ärzten. Wir haben natürlich auch die ausländischen Frauen, auch Frauen, die aus etwas sozial schwierigeren Situationen kommen, aber das ist eine bunte Vielfalt.

domradio.de: Bunte Vielfalt, das heißt, das kann auch in der Wohnung neben mir passieren oder in der Wohnung unter mir. Was tu ich denn als ganz normaler Bürger, ganz normale Bürgerin, wenn ich glaube, da erfährt eine Frau Gewalt. Was mach ich dann? Was raten Sie mir

Balzar: Also, mit Hilfe des Gewaltschutzgesetzes, was es seit 2002 gibt, ist ja das Thema "Gewalt ist nie privat" oder "Wer schlägt, der geht". Das sind ja die Überschriften, die uns sehr wichtig sind. Und das heißt, wenn ich als Privatperson etwas mitbekomme in der Wohnung nebenan, bin ich schon angehalten, da auch nochmal hellhöriger zu sein. Ich brauche nicht zu sagen, das geht mich nichts an hinter dieser Türe, da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann zum Beispiel der Frau signalisieren, dass man Kontakt aufnehmen möchte und auch mal fragen, wie geht es Ihnen denn, kann ich Ihnen irgendwie helfen. Oder wenn es wirklich zu einer massiven Lautstärke kommt, wo es um Hilferufe geht oder Geschrei, dann auf jeden Fall die Polizei rufen. Da müssen Sie sich überhaupt nicht absichern, ob da irgendeine Person dazu ja sagt, die in diesen Konflikt verbunden ist, sondern Sie als Bürgerin oder Bürger sind da schon verpflichtet, hilferufenden Personen zu helfen. Wenn Sie sich unsicher sind, können Sie natürlich auch unsere oder auch andere Beratungsstellen aufsuchen, wie Sie sich verhalten. Wichtig finde ich, den Mut zu haben, eine Courage zu haben, dorthin zu gucken.

Das Gespräch führte Anna Kohn.


Quelle:
DR