Zum 450. Geburtstag von Shakespeare

"Das große Zweifeln an Gott"

William Shakespeare ist der wahrscheinlich bekannteste Dichter der Welt. Seine Werke sind in alle gängigen Sprachen übersetzt, seine Stücke werden überall auf der Welt aufgeführt und neu interpretiert. War er ein gläubiger Mensch?

Autor/in:
Christiane Neuhausen und Johannes Schröer
William Shakespeare (dpa)
William Shakespeare / ( dpa )

Über Shakespeare selbst ist nur wenig bekannt; es gibt Löcher in seiner Biografie, die die Forscher zur Verzweiflung bringen - oder zu fantastischen Gedankenflügen animieren.

William Shakespeare wurde vor 450 Jahren - wahrscheinlich am 23. April 1564 - in Stratford-upon-Avon geboren; das genaue Geburtsdatum ist nicht bekannt. Seine Taufe ist für den 26. April nachgewiesen. Damals wurde das Kind in der Regel drei Tage nach der Geburt getauft. Sein Vater John war einer der reichsten Bürger der Stadt, Handschuhmacher, Ratsherr und zeitweiliger Bürgermeister von Stratford. Seine Mutter Mary stammte aus einer angesehenen katholischen Familie. John Shakespeare war in der katholischen Opposition gegen die protestantische Königin Elizabeth I. aktiv.

Fragen über Fragen

Wie verbrachte Shakespeare seine Jugend? Wo ging er zur Schule? Wie kam er an das breite Wissen, das sich in seinem Werk widerspiegelt? Man weiß es nicht und ist auf Vermutungen angewiesen. Im Alter von 18 Jahren heiratete er die ältere Anne Hathaway; sie bekam wenige Monate später das erste Kind. Zwillinge folgten zwei Jahre später. Wie er die Jahre bis 1590 verbrachte, als er in London als Autor nachgewiesen ist, weiß man nicht. Die Shakespeare-Forscher nennen die Zeit "die verlorenen Jahre"; um sie ranken sich Legenden.

Bis zum Erfolg auf den Brettern, die die Welt bedeuten, war es für den Sohn eines Handschuhmachers aus Stratford ein langer Weg. Irgendwann schloss er sich einer Schauspieltruppe an, die dann den Schutz des Lord Chamberlain erhielt. Das war überlebenswichtig, denn fahrende Gesellen wie Schauspieler benötigten einen starken Patron.

In London etablierte sich Shakespeare als Autor für die Truppe. Von 1599 an fanden sie ihre Heimat im berühmten Londoner Globe-Theater. Shakespeare schrieb Komödien, Historiendramen und Tragödien für seine Schauspieler. Gelegentlich bestieg er sogar selbst die Bühne. Er hatte sein Geld in das Theater investiert; deswegen konnte er nicht in aller Zurückgezogenheit Verse für die Ewigkeit schmieden, sondern musste mit Blick auf ein anspruchsvolles Publikum produzieren. Von seinen Stücken hing das Wohlergehen des Theaters ab und nicht zuletzt sein eigener Wohlstand, der zum Ende seiner Karriere nicht unbeträchtlich war. Seinen Lebensabend konnte er im größten und schönsten Haus Stratfords verbringen.

Neben den literaturwissenschaftlichen Forschungen sind es drei Fragen, die immer wieder auftauchen: Hat Shakespeare seine Stücke selbst geschrieben, oder war er der Frontmann für jemand anderen? Während Literaturwissenschaftler sich zu 100 Prozent einig sind, dass Shakespeare - von verschiedenen Kooperationen am Anfang und am Ende seiner Karriere abgesehen - sein Werk selbst verfasst hat, kursieren von Zeit zu Zeit verschiedene Verschwörungstheorien. Ebenso bewegt die Frage nach seiner sexuellen Orientierung, die aufgrund von Widmungen und seinen Sonetten Auftrieb erhalten.

Kein metaphysischer Trost

Die Frage, die in den vergangenen Jahren intensiv diskutiert wird, ist die nach seinem Glauben: War Shakespeare katholisch? Dafür spricht viel, aber auch hier weiß man es nicht genau. "Das Weltbild in Shakespeares Dramen ist nicht hoffnungsfroh – oder auf ein Jenseits ausgerichtet. Es gibt dort keinen metaphysischen Trost",  sagt Frank Günther im domradio.de Interview. Frank Günther hat fast alle Werke des wichtigsten Autors der Welt ins Deutsche übersetzt. "Unser Shakespeare", so heißt sein Buch, das jetzt zum 450. Geburtstag von Shakespeare erscheint.

"Man könnte ihn als eine große kollektive Phantasie bezeichnen", sagt Frank Günther: "in die jeder sein eigenes Shakespeare Bild hinein projeziert. Er ist weniger ein konkreter Mensch als eine Ikone, ein Mythos, als ein zum Symbol für das theatralische gewordene seltsame Gestalt, die eigentlich von jedem anders gemalt, gezeichnet und gesehen wird".

Im Werk Shakespeares finden sich keine religiösen Vorlieben. "Es gibt keine Botschaft, kein Bekenntnis, keinen Leitfaden, der lebenstüchtiger macht", sagt Günther. Und auch der Regisseur Christian Stückl sieht Shakespeares Figuren, wenn überhaupt "von einem großen Zweifel an Gott" geprägt. Dem Münchner Kirchenradio sagte Stückl, dass König Lear oder Hamlet gottverlassene, einsame Menschen sind, die am Ende allein bleiben. Von niederen Begierden wie Eifersucht, Machthunger oder Neid getrieben irren sie durch das Dasein. Und wenn ein Pater auftaucht, wie Pater Lorenzo in Romeo und Julia, dann mag er es zwar gut meinen, erreicht aber mit seinem Handeln genau das Gegenteil einer friedlichen Welt: "Am Ende liegen zwei tote Kinder auf der Bühne".

Auch wie Shakespeare genau aussah, ist nicht bekannt. Von einem Porträt sagte sein Schriftstellerkollege Ben Jonson, Shakespeare sei darauf gut getroffen. Auch geht man davon aus, dass der große Poet auf seinem Grabdenkmal gut wiedergegeben ist.

Shakespeare war der ungekrönte König des elisabethanischen Theaters. Auch unter Elizabeths Nachfolger Jakob I. stand er hoch im Kurs. Seine überragende Stellung in der Weltliteratur wird nicht angezweifelt. Viele Generationen von Literaturwissenschaftlern verdanken ihm Lohn und Brot. Die Zahl der Publikationen zu seinem Werk ist unüberschaubar - und die Papierflut wird wohl auch in Zukunft kein Ende nehmen.

 


Quelle:
KNA , DR