Zum 20. Mal ist der "Tag des offenen Denkmals" in Hamburg

Steine sprechen lassen

Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Trierer Konstantin-Basilika beginnt am Sonntag der "Tag des offenen Denkmals". Bundesweit öffnen mehr als 7.500 Bau- und Bodendenkmale für Besucher. Auch in Hamburg – einem Vorreiter in Sachen architektonische Erinnerungskultur.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
 (DR)

Koordiniert wird die Aktion seit 1994 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. In der Hansestadt wird der Tag sogar bereits seit 1992 begangen. "Wir wollen Denkmale erhalten und sie den Menschen zugänglich machen", sagt Irina von Jagow, seit 1995 Geschäftsführerin der Stiftung Denkmalpflege Hamburg, die den Aktionstag - unterstützt vom Denkmalschutzamt und den "Freunden der Denkmalpflege" - jetzt zum 20. Mal organisiert. Für sie sind Baudenkmäler alles andere als tote Steine, sondern lebendige Zeugen der Geschichte.



Gegründet wurde die Stiftung 1978 von der Stadt Hamburg zum Erhalt des historischen "Gängeviertels". Auch die Stiftung Denkmalpflege hat ihren Sitz in einem der typischen gedrungenen Häuser aus dem 19. Jahrhundert. Denkmalpflege sei für die Politik an sich ein attraktives Thema - wenn es nur nicht allenthalben am Geld für Fördermaßnahmen fehlte, meint die Juristin und Kunsthistorikerin von Jagow. Auch daher ist der Denkmals-Tag, an dem sich in Hamburg über 100 Objekte präsentieren, wichtig: Er soll den Menschen ein Bewusstsein für die Bedeutung dieser Boten der Geschichte vermitteln. Rund 30.000 Hamburger nehmen jedes Jahr die Einladung an.



Dass die Stiftung Denkmalpflege von Anfang an einen eigenen Bestand an Immobilien hatte nach dem Vorbild des britischen National Trust, nennt von Jagow einzigartig: Alle Einnahmen aus Gebäudeverwaltung, Mieten und Sponsorengewinnung fließen in die Förderung von Denkmalpflegevorhaben. So etwa die Instandsetzung des 1611 begründeten Jüdischen Friedhofs in Altona, Europas ältestem Bestattungsort deutscher und portugiesisch-spanischer Juden. Das jährliche Fördervolumen der Stiftung beträgt 300.000 Euro, für Einzelmaßnahmen gibt es meist nicht mehr als 60.000 Euro. Oft übernehme die Stiftung nur kleinere Maßnahmen - die sich aber durchaus sehen lassen können.



Die Blütezeit Hamburgs im Blick

Ein Beispiel ist die prächtig aufgearbeitete Christusfigur im neugebauten Statiogang in der katholischen Bischofskirche. Auch die Krypta des Michel, wo unter anderen Carl Philipp Emmanuel Bach bestattet ist, zählt zu den Förderprojekten. Ebenso wie das Mahnmal für die "Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft", die frühere Hauptkirche Sankt Nikolai. Zu Hamburgs großem Schrecken stürzte kürzlich ein Steinbrocken aus der Fassade. Jetzt muss die Kirche mit dem 147 Meter hohen Turm außerplanmäßig renoviert werden. Dafür wird die Stiftung Denkmalpflege wohl einen Spendenaufruf starten, meint die Geschäftsführerin.



Das 19. Jahrhundert, diesmal im Zentrum des "Tags des offenen Denkmals", biete in Hamburg viel Stoff, freut sich von Jagow. "Wir können hier die Blütezeit Hamburgs zeigen, das Wiederentstehen der Stadt nach dem großen Brand, die Entwicklung zum Welthafen und die Entstehung eines großen Reichtums der Freien Hansestadt." Kirchen sollten ja ohnehin geöffnet sein, dennoch stehen immer wieder bestimmte Gotteshäuser im Fokus. Diesmal unter anderen die Jerusalemkirche, wo während der Auswandererwelle des 19. Jahrhunderts jüdische Emigranten Hilfe fanden, sowie die frühere

Bethlehemkirche: Sie beherbergt inzwischen als "Haus im Haus" einen Kindergarten.



Die katholische Kirche Sankt Sophien im Stadtteil Barmbek ist über den Unternehmer Wilhelm Anton Riedemann, wichtiger Mäzen der 1900 geweihten "Arbeiterkirche", vertreten. Der Gründer des heutigen Esso-Konzerns ließ 1905 auf Europas größtem Parkfriedhof in Hamburg-Ohlsdorf das "Riedemann-Mausoleum" für seine Tochter Sophie errichten. Sowohl Sankt Sophien als auch die prächtige Grabstätte, die nur am "Tag des offenen Denkmals" geöffnet ist, sind Förderprojekte der Stiftung Denkmalpflege. Wie hier zwei Denkmale in einen Bezug zueinander treten, zeigt für Irina von Jagow, dass die Beschäftigung mit steingewordener Geschichte unvermutete Zusammenhänge greifbar machen kann. "Damit hat sich für mich ein Kreis geschlossen."