Am Dienstag (08.05.2012) wäre die katholische Schriftstellerin Gertrud Fussenegger 100 Jahre alt geworden. Die 1912 im westböhmischen Pilsen (Plzen) geborene Österreicherin starb am 19. März 2009 in Linz. Die Werkliste ihrer zum Teil mehrmals aufgelegten Bücher umfasst mehr als 50 Titel, dazu kommen Beiträge in rund 200 Anthologien. Nicht alles, was sie geschrieben habe, spiegele ihr Bekenntnis zum Katholizismus wider, "aber ich hoffe, dass ich in allem - oder fast allem - Respekt vor christlichen Grundwerten bewahrt habe", sagte sie einmal in einem Interview.
Fussenegger wurde im böhmischen Teil der Donaumonarchie als Offizierstochter geboren und verbrachte ihre Kindheit in Galizien, Böhmen, Vorarlberg und Tirol. In Innsbruck und München studierte sie Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie und promovierte 1934 über den altfranzösischen Rosenroman. Im Jahr darauf heiratete sie den Bildhauer Elmar Dietz; die Ehe wurde allerdings nicht glücklich. Ab 1943 lebte Fussenegger mit ihren vier Kindern als Alleinerziehende in Hall in Tirol, 1947 folgte die Scheidung. 1950 heiratete sie den Bildhauer Alois Dorn, mit dem sie einen weiteren Sohn hatte. 1961 zog sie nach Leonding bei Linz.
Fusseneggers Jugend war überschattet durch ihr nahes Verhältnis zum Nationalsozialismus. Der "Völkische Beobachter" druckte 1938 als erste Zeitung ihr Gedicht "Stimme der Ostmark". Nach 1945 brachte Fussenegger das Gedicht massive Kritik ein, weil es als Jubel über den Untergang Österreichs und als Verherrlichung des "Führers" verstanden wurde. Rund 50 Jahre später erklärte die Autorin, es tue ihr leid, "viele gute Gedanken verschwendet" zu haben "auf eine Sache, die dann ein Gräuel war". 1946 wurden zunächst einige ihrer Werke in Berlin und Wien auf die "Liste der gesperrten Autoren und Bücher" gesetzt.
München gedenkt der Schriftstellerin
Bald darauf begann für Fussenegger allerdings wieder eine intensive Schaffensperiode. Ein eindrucksvolles Dokument ihrer Religiosität ist der 1983 erschienene und in Form von Aufzeichnungen und Dokumenten gestaltete Roman "Sie waren Zeitgenossen", der ein Bild Israels zurzeit Jesu entwirft.
Fussenegger war seit 1959 Mitglied des PEN-Clubs und später Ehrenpräsidentin des Verbandes Katholischer Schriftsteller Österreichs. Sie war Trägerin zahlreicher Auszeichnungen, darunter des Großen Goldenen Ehrenzeichens mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich (2003) und des Komturkreuzes mit Stern des päpstlichen Silvesterordens von Papst Benedikt XVI. (2007). Insgesamt verfasste sie mehr als 60 Bücher, die in 25 Verlagen veröffentlicht und in elf Sprachen übersetzt wurden. Der Nachlass ihrer Werke befindet sich im Oberösterreichischen Literaturarchiv in Linz.
Zum 100. Geburtstag der Schriftstellerin fand schon am Freitag eine öffentliche Festveranstaltung in München statt. Zu dem Abend in der Reihe "Domspatz-Soiree" im Hansa-Haus wurden unter anderen der Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Dieter Borchmeyer, die älteste Tochter der Autorin, die Münchner Künstlerin Ricarda Dietz und Fussenegger-Enkelin Caroline Juls erwartet. Fussenegger war mit München, wo sie studiert und geheiratet hatte, eng verbunden.
Zum 100. Geburtstag der Autorin Gertrud Fussenegger
Viele gute Gedanken, einige verschwendet
Als Gertrud Fussenegger vor drei Jahren 96-jährig starb, würdigte sie das Hilfswerk "Kirche in Not" als Christin, die "ihre Berufung lebe und als Katholikin ihre Mutter Kirche liebe". Die Österreicherin war eine der bekanntesten katholischen Schriftstellerinnen ihrer Zeit. Von der Nähe zu den Nazis in ihrer Jugend distanzierte sie sich später.
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