Bus mit psychosozialem Beratungsangebot für das Ahrtal

Zukunftsängste und Gedanken an die Flutnacht

Menschen, die ihr Haus neu bauen müssen und Kinder, die nicht mehr schlafen können: Die Spannweite an Problemen in den Flutgebieten ist riesig. Ein Bus mit Seelsorgern, Pädagogen und Fachleuten soll Anlaufstelle für die Opfer der Flut sein.

Der zum Beratungsmobil umgebauter Reisebus wird im Ahrtal unterwegs sein / © Thomas Frey (dpa)
Der zum Beratungsmobil umgebauter Reisebus wird im Ahrtal unterwegs sein / © Thomas Frey ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie groß ist dieser Bus und zu was ist er umgebaut worden?

Roswitha Stockhorst (Kreisverwaltung Ahrweiler, koordiniert die Arbeit im Bus): Der Bus ist riesig. Wir haben einen riesigen Reisebus, er ist 14 Meter lang. Dieser Bus ist innen komplett umgebaut worden. Wir haben zwei große Büros da drin, die auch abgeschlossen werden können. Die Tür kann zugemacht werden, es herrscht eine gewisse Privatsphäre. Und wir haben eine Spielecke. Mit dem Bus fahren wir 50 Kilometer die Ahr in diese betroffenen Orte rauf und runter. Wir haben jetzt 25 Orte an der Ahr, die wir besuchen.

DOMRADIO.DE: Ein Jahr lang, so ist es geplant, wird der Bus an den Werktagen von morgens bis nachmittags in betroffenen Orten im Ahrtal unterwegs sein. Wer ist denn da mit an Bord?

Stockhorst: Es sind ganz verschiedene Leute an Bord. Wir haben verschiedene Träger, von der Caritas über die Agentur für Arbeit. Die Lebensberatung ist mit an Bord, aber auch die DRK-Fachklinik für Kinder und Jugendliche. Wir haben da ein ganz breites Spektrum an Fachleuten von Sozialarbeitern, Sozialpädagogen, Psychologen, aber auch Fachleute von der Agentur. Wir werden auch noch von Seelsorgern unterstützt. Also wir sind da breit aufgestellt.

DOMRADIO.DE: Geht es hauptsächlich um die seelische Aufarbeitung, um psychische Belastungen, oder geht es auch um Beratung rund um Finanzfragen? Da stellt sich ja jetzt bei vielen die Frage: Wie baue ich mir meine Existenz wieder auf?

Stockhorst: Unser Ziel ist es ja, die Menschen vor Ort zu beraten. Und natürlich kommen auch Fragen, wie "Wie kann ich denn jetzt die zweite Soforthilfe bekommen?". Auch darüber beraten wir natürlich. Wenn ich irgendeine Frage nicht beantworten kann, werde ich versuchen, das rauszufinden. Ich verfüge über gute Kontakte.

Aber jetzt haben wir die Situation bei den Leuten: Der Schlamm ist raus, die Trockengeräte laufen, jetzt sind die aus der Aktion raus. Jetzt kommt das Denken, jetzt kommen die Filme wieder nach oben. Die Flutnacht wird wieder präsent oder die Zukunftsängste kommen hoch. Und da wollen wir natürlich beraten.

Es geht einigen Kindern wirklich schlecht. Die haben Angst zu duschen oder können nicht mehr ins Schwimmbad gehen. Jugendliche, die ständig auf der App nachgucken: Wann kommt der nächste Starkregen? Menschen, die nachts nicht mehr gut schlafen können, die nur noch zwei Stunden oder eine Stunde schlafen und dann morgens wirklich gerädert wach werden. Wir versuchen, die ganze Bandbreite abzudecken.

DOMRADIO.DE: Da sind viele Dinge zu regeln, viele Probleme. Gibt es irgendetwas, wo Sie sagen: Da ist es jetzt gerade besonders gefragt, dass wir unterstützen?

Stockhorst: Wir haben sehr unterschiedliche Anfragen. In Sinzig gibt es zum Beispiel einen ganz anderen Stand als in Bernau oder in Rech. Wir haben Anfragen in Sinzig, da wurden Anfragen gestellt wie: "Unser Vermieter will uns aus dem Haus raus haben, der versucht alles, damit wir wegziehen." Das sind ganz elementaren Fragen: Wo werde ich morgen wohnen? Wie bekomme ich meine Wohnung geheizt, wenn es nächste Woche kalt werden sollte?

In Bernau haben wir aber zum Beispiel auch Anfragen wie: Meine Kinder können nachts nicht mehr schlafen, sie kommen immer zu mir ins Bett, wir können nicht mehr ruhig schlafen.

DOMRADIO.DE: Seit Mittwoch sind Sie unterwegs. Wie ist die Reaktion der Betroffenen auf Ihr Angebot?

Stockhorst: Erst mal sehr, sehr aufgeschlossen. Ich habe am Anfang versucht, mit allen Ortsvorstehern Kontakt aufzunehmen. Ob ein Bedarf da ist und wo wir diesen riesigen Bus parken können. Die waren sehr froh über dieses Angebot. Wenn ich jetzt in den Orten rund gehe und die Trommel rühre, die Flyer an den Info-Points verteile, sind die meisten begeistert davon.

Momentan ist es aber noch nicht so präsent bei den Leuten. Die ersten kommen. Zum Beispiel hatten wir in Bad Neuenahr an dem Haltepunkt ganz viele Leute, die den Bus genutzt haben. Gestern in Altenahr waren es nicht so viele Leute. Es ist unterschiedlich. Wir müssen momentan einfach auf uns aufmerksam machen. Die Leute haben nicht die Zeit, Zeitung zu lesen.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR