Zukunft für Christen in der Türkei

Keine guten Aussichten

Zwar fühlen sich die griechisch-orthodoxen Christen in der Türkei fühlen von der Krise im Land nicht bedroht. Denn weder der versuchte Putsch noch die Reaktionen darauf seien gegen sie gerichtet. Trotzdem blicken sie pessimistisch in die Zukunft. 

Blick auf Istanbul / © Magnus Anschütz
Blick auf Istanbul / © Magnus Anschütz

"Der versuchte Staatsstreich und die Reaktion darauf haben weder etwas mit der Kirche zu tun, noch mit den Minderheiten im Land", sagte Pater Dositheos Anagnostopoulos, Pressesprecher des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, dem Evangelischen Pressedienst. Das Ökumenische Patriarchat mit Sitz in Istanbul hat den Ehrenvorsitz aller orthodoxen Kirchen inne.

In der Nacht des Putschversuchs vor einer Woche, als Kampfflugzeuge über die Häuser flogen, habe er keinen Augenblick gedacht: Das kann für Minderheiten böse enden, sagt der Geistliche. "Vielmehr dachte ich: Du bist nicht allein. In dieser Stadt leben 20 Millionen Menschen, die von derselben Gefahr bedroht sind."

Schlechte Erfahrungen

Der 74-Jährige, der als Grieche in Istanbul geboren wurde und dort aufgewachsen ist, machte seine "erste negative Erfahrung" in der Türkei 1955, als türkische Nationalisten in Reaktion auf die Zypern-Krise Griechen und andere Nichtmuslime überfielen. "Mein Vater hatte eine kleine Schneiderei, die attackiert wurde. Nach dem Angriff waren von dem Geschäft nur noch drei Wände und eine Decke übrig, die Maschinen waren verschwunden." Griechen hätten schon im Osmanischen Reich gelernt, unter Druck ihr Leben schöner zu gestalten, sagte er: "Wir haben überlebt."

Anagnostopoulos absolvierte in der Türkei seinen Militärdienst und begann Biologie zu studieren. Den Militärputsch 1960 habe er als Student erlebt. "Ich habe Dinge gesehen, die ausschlaggebend waren für mein ganzes Leben. Damals dachte ich: In diesem Land kann Demokratie nicht realisiert werden." In den 60er Jahren verließen sehr viele Griechen das Land, heute gehören nur noch 2.500 der griechisch-orthodoxen Gemeinde an. Anagnostopoulos zog nach Deutschland, wo er lernte, sich frei zu äußern, wie er sagt. "In der Türkei war ich immer depressiv und ängstlich." Heute hat er die deutsche Staatsbürgerschaft.

Zurück nach Istanbul

Nach 35 Jahren in Deutschland zog er wieder nach Istanbul. Das war vor 13 Jahren. "Mir ist seither nie etwas Böses passiert - im Gegenteil, ich habe viele Freunde." Es gebe in der Türkei eine große Zahl junger Menschen, "die das demokratische Leben schätzen". Er habe in Istanbul zuletzt niemanden aus seiner Gemeinde getroffen, der sage, dass die Lage der Christen schlimmer geworden sei. "Heute fühle ich mich so sicher wie alle anderen, die in der Türkei leben."

Für die Zukunft der griechisch-orthodoxen Christen in der Türkei sieht der Geistliche dennoch schwarz: Seine kleine Gemeinde der Mariä-Verkündigungskirche im Istanbuler Stadtteil Dolapdere bestehe aus 21 Gläubigen. "Die meisten sind so alt wie ich."


Quelle:
epd