Zugunglück von Brühl liegt zehn Jahre zurück

Kaum noch Spuren

Schmucke Häuser, gepflegte Gärten, die meisten Einfahrten sorgfältig vom Schnee befreit.

Autor/in:
Markus Peters
 (DR)

Heute erinnert nichts mehr daran, dass die Anwohner der Straße Am Inselweiher in Brühl bei Köln vor zehn Jahren nur knapp einer Katastrophe entgangen sind.

Am 6. Februar 2000 um 0.12 Uhr war der Nachtexpress D 203 von Amsterdam nach Basel viel zu schnell durch eine Baustelle unmittelbar vor dem Brühler Bahnhof gefahren - mit fatalen Folgen: An einer Weiche sprang der Zug aus den Schienen, die Lok raste in ein Wohnhaus am Bahndamm, während sich die ersten Waggons wie Spielzeug im Bahnhof stauchten. Acht Menschen waren sofort tot, ein Opfer starb Tage später. 149 der rund 300 Fahrgäste wurden schwer verletzt.

Unmittelbar betroffen waren auch die Anwohner der Straße Am Inselweiher, die direkt am Bahnhof liegt. Bei ihnen hatte der Unglückszug eine Schneise der Verwüstung durch ihre Gärten gezogen. Am schlimmsten hatte es das Haus eines Rentnerehepaars getroffen. Die 84 Tonnen schwere Lok des D 203 stoppte erst eine Handbreit vor dem Fernsehsessel der Eheleute mitten im Wohnzimmer. Nur zufällig sei das Paar zum Unglückszeitpunkt schon im Bett gewesen, berichteten Nachbarn später. Das Haus musste später abgerissen und neu gebaut werden.

Eine der meisten befahrenen Bahnstrecke Europas
Die Bilder damals haben sich in den Köpfen der Anwohner festgesetzt, auch wenn viele gegenüber Journalisten nicht mehr davon reden wollen. Nach dem Unfall ist entlang der innerstädtischen Bahntrasse eine Lärmschutzwand gebaut worden, doch man hört die Züge noch, die mit hoher Geschwindigkeit durch den 45 000 Einwohner-Ort fahren. Immer noch handelt es sich um eine der meisten befahrenen Bahnstrecke Europas.

Brühls Bürgermeister Michael Kreuzberg (CDU) hatte nach dem Unfall bei der Bahn vergeblich für ein Tempolimit zumindest im Bahnhofsbereich geworben. Doch das hätte den Fahrplan des Schienenunternehmens bundesweit auf den Kopf gestellt, hieß es damals. Nachdem der Streckenabschnitt vor sieben Jahren ausgebaut und saniert wurde, fahren hier die Züge sogar schneller als vorher.

Auf eine Gedenkstätte an das Unglück hat man in Brühl verzichtet, doch diejenigen, die sich am Kiosk vor dem Bahnhof am Automatenkaffee wärmen, erinnern sich noch gut an die Ereignisse dieser Februarnacht. "Wie im Krieg" habe es ausgesehen, berichtet Helmut Munke, der damals als Taxifahrer in Brühl unterwegs war. Heute parken die Autos der Pendler und die Touristenbusse auf dem Bahnhofsvorplatz, die Sehenswürdigkeiten Schloss Augustusburg und das Max Ernst Museum sind nur wenige Schritte entfernt. "Damals war hier alles voller Blaulicht", erinnert sich Munke. Der Umstand, dass die Schnellzüge immer noch mit Höchstgeschwindigkeit durch seinen Ort fahren, beunruhigt ihn nicht. "Das Schicksal trifft uns kein zweites Mal - hoffe ich zumindest."

Die Ursache war bald geklärt
Auch Lydia Scheven, die am Bahnhof auf den Regionalexpress nach Wuppertal wartet, fürchtet nicht, dass sich die Katastrophe wiederholen könnte: "Bahn fahren ist zwar manchmal nervig, aber sicher. Das, was hier vor zehn Jahren passiert ist, ist eine große Tragödie, aber mehr Angst habe ich deshalb nicht."

Die Ursache des Unglücks war bald geklärt. Der mit 28 Jahren noch junge und unerfahrene Lokführer war durch die nicht eindeutige Beschilderung an der Unglücksstelle irritiert gewesen. Statt der zulässigen 40 Stundenkilometer hatte er den "Schweiz-Express" auf 122 Stundenkilometer beschleunigt.

Das Strafverfahren gegen ihn und drei weitere Mitarbeiter der Deutschen Bahn wurde am Herbst 2001 gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Das Gericht beurteilte die fatale Fehlinterpretation der Signale als Augenblicksversagen. "Ich würde mein Leben dafür geben, das Unglück ungeschehen machen zu können", hatte der Lokführer vor Gericht erklärt.