Zu Besuch in einem Bierlokal im Schatten der Kathedrale

Das elfte Gebot im katholischen Antwerpen

Antwerpen, das ist Brabanter Lebensart: pompös, deftig, katholisch. Hier malte Rubens sein barockes Universum; hier sprach er er mit seinem Beichtvater. Vielleicht trank er ja auch sein Bier im Schatten der Kathedrale.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Die Statue einer Heiligen im Elfde Gebod (elftes Gebot), ein Lokal in Antwerpen (Belgien) / © Alexander Brüggemann (KNA)
Die Statue einer Heiligen im Elfde Gebod (elftes Gebot), ein Lokal in Antwerpen (Belgien) / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Ja, natürlich – wer heute am Bahnhof von Antwerpen ankommt, einer Kathedrale der Moderne, der bekommt nicht zwangsläufig den Eindruck einer katholischen Stadt: zur Rechten der historisierende Prachteingang zum Antwerpener Zoo; zur Linken jene langen Boulevards, die schon nach wenigen Metern den kommerziellen Brabanter Überfluss von einst aufscheinen lassen.

Geisteswelt von Rubens im historischen Zentrum 

Doch je näher man dem historischen Stadtkern kommt, desto näher rückt auch die Geisteswelt des Peter Paul Rubens (1577-1640), der tief geprägt war von der Hafenstadt an der Schelde-Mündung und sie seinerseits tief prägte. In politisch schwankenden Zeiten wusste sich der Maler mit den mächtigen Playern der Stadt gut zu stellen.

Als seinen (fast gleichaltrigen) Beichtvater etwa erkor sich Rubens den entschlossenen Gegenreformator und Inquisitor Michael Ophovius (1570-1637), Bischof von s'Hertogenbosch und zuvor Dominikanerprior von Antwerpen. Dessen strengem Sinn kann man bis heute beim Besuch der Paulskirche der Dominikaner unweit der Fleischhalle nachspüren.

Ein Bier im "Elfde Gebod"

Vor dem geistigen Auge kann man sich ausmalen, wie ein von der Beichte erleichterter Meistermaler nun Lust bekommt auf ein kühles Blondes. Fußläufig und buchstäblich im Schatten der 123 Meter hohen Liebfrauen-Kathedrale rühmt sich das "Elfde Gebod" am Torfbrug 10, das älteste Lokal der Stadt zu sein. Warum also nicht dort?

Die Geschichte des heutigen Restaurant-Cafes reicht 600 Jahre zurück, bis 1425, als hier Torflieferanten ansässig waren, damals noch außerhalb der Stadtmauern. Kupferstiche von 1576 zeigen, dass sich die Obergeschosse des Gebäudes als ideal zur Verteidigung der Stadt gegen die Spanier erwiesen. Als das Haus in Kirchenbesitz kam, war es als "Het Paradijs" (Das Paradies) bekannt.

Zapfhähne vor einer Kulisse von Heiligenfiguren im Elfden Gebod (elften Gebot), ein Lokal in Antwerpen (Belgien) / © Alexander Brüggemann (KNA)
Zapfhähne vor einer Kulisse von Heiligenfiguren im Elfden Gebod (elften Gebot), ein Lokal in Antwerpen (Belgien) / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Kneipe voller Heiliger

Und ein wenig ist es das auch heute noch; zumindest spektakulär und kurios. An einem gefühlten Dutzend Zapfhähnen hält Johanna von Orleans Wache; und überhaupt ist der Gast hier niemals allein im Raum. Auf zwei Etagen, in Winkeln und Nischen stehen ungezählte Engel- und Heiligenstatuen; teils gedoppelt, teils scheinbar miteinander schwatzend, teils ironisch aus ihrem Kontext gerissen und in einen neuen gestellt. Unernst und Schmunzeln regieren in diesem heiligen Panoptikum.

Zu dem optischen kommen andere Genüsse. Schließlich verstehen Belgier etwas von Essen und Trinken. Zu Muscheln mit Pommes bietet die Karte ein Dutzend Klosterbiere und Dutzende weitere Biersorten, etwa der regionalen Brauereien De Koninck, Palm oder Affligem, Trappist Westmalle, St. Bernardus oder Rochefort. Das "Elfde Gebod" (dt. Elftes Gebot) lautet hier also vor allem: Du sollst aufhören, weniger Bier zu trinken!

Genuss ohne Reinheitsgebot

Doch Vorsicht: Belgisches Bier hat kein deutsches Reinheitssiegel. Kreuz- und Querprobieren kann ein ungutes Nachspiel haben. Zudem ist der Alkoholgehalt zumeist höher als bei Durchschnittsbieren; dank einem Gesetz, das zwischen 1919 und 1983 Spirituosen in belgischen Lokalen verbot. Das machten sich die Braumeister zunutze – auch die Mönche – und fuhren beim Bier die Prozente teils ordentlich hoch. Im Schatten der Kathedrale von Antwerpen kann man sich davon überzeugen.

Bierkultur Belgiens

Belgiens Bierkultur wird im gesamten sonst so zerstrittenen Land gelebt. Überall gibt es Brauereien, Klöster, Museen, Kurse und Seminare, Feste und Veranstaltungen, Restaurants und Kneipen, die zur Kreativität und Vielfalt der Bierlandschaft beitragen. Die Frucht- und Karamel-Aromen der belgische Starkbiere werden von Liebhabern gerühmt.

Ein Glas belgisches Bier in einer Kneipe in Antwerpen / © Alexander Brüggemann (KNA)
Ein Glas belgisches Bier in einer Kneipe in Antwerpen / © Alexander Brüggemann ( KNA )
Quelle:
KNA