domradio.de: Vor einigen Wochen haben Sie in Köln schon einen Zivilcouragepreis bekommen. Jetzt erneut so ein Preis für Zivilcourage. Freuen Sie sich darüber?
Bosbach: Darüber freue ich mich. Obwohl, wenn man sehr viele Preise in einem kurzen Zeitraum bekommt, dann muss man selber nachdenklich werden, denn dann könnte ja das Gefühl entstehen, da reite jemand der untergehenden Sonne entgegen. Aber tatsächlich stehe ich noch voll im Saft und bin mitten im Bundestagswahlkampf aktiv und freue mich auf die nächste Wahlperiode.
domradio.de: Das heißt, Sie sehen das nicht als Würdigung des Lebenswerkes?
Bosbach: Wer weiß was noch kommt! Nein, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Ich habe noch einiges vor! Es ist sicherlich richtig, wenn man 61 ist, da guckt man ab und zu schon einmal zurück, aber ich schaue viel öfter nach vorne.
domradio.de: Zivilcourage und Politik. Passt das denn gut zusammen?
Bosbach: Da gibt es einen untrennbaren Zusammenhang, und das hat jetzt nichts mit Bundespolitik zu tun oder mit meiner Haltung beim Thema Eurorettungspolitik, sondern ganz allgemein, dass leider nur knapp zwei Prozent der Bevölkerung bereit sind, sich in einer Partei politisch für das Land zu engagieren. Aber wenn man sich entscheidet, sich für einen längeren Zeitpunkt parteipolitisch zu binden und zu engagieren, dann gehört heutzutage dazu eine gehörige Portion Courage.
domradio.de: In der Begründung der Jury heißt es: "Weil er die Öffentlichkeit ungeschminkt über die jeweilige Situation informiert und damit zum Verständnis der oft sehr komplizierten Umstände beiträgt." Verstehen Sie so auch Ihre Aufgabe als Abgeordneter im Bundestag?
Bosbach: Das ist eine wichtige Aufgabe, und über diesen Teil der Begründung für die Preisverleihung freue ich mich auch besonders. Und ich bemühe mich auch ganz gezielt darum mich klar auszudrücken. Glauben Sie mir bitte, nicht jeder, der Subjekt, Prädikat, Objekt verständlich verwendet, hat ein schlichtes Gemüht. Aber auch umgekehrt, nicht jeder der sich total kompliziert ausdrückt, ist ein Intellektueller. Man sollte sich nicht nur, aber gerade bei politischen Auseinandersetzungen und Debatten, so äußern, dass auch die Zuhörerinnen und Zuhörer klar wissen, wofür steht jemand oder wogegen tritt jemand an.
domradio.de: Sie haben ja auch neulich gesagt: "Heute gilt man schon als Rebell, wenn man bei seiner Meinung bleibt." Kann man immer seiner Meinung treu bleiben?
Bosbach: Wenn damit gemeint ist, dass man keine Kompromisse schließt: Nein! Absolute Mehrheiten sind in Deutschland die absolute Ausnahme. Das heißt, man muss auch immer kompromissbereit, kompromissfähig sein, sonst tritt man auch auf der Stelle und kommt nicht zu politischen Entscheidungen, die notwendig sind. Wenn man sein politisches Ziel nicht in einem Schritt oder zu 100 Prozent erreichen kann, dann muss man ihm wenigstens ein Stück näher kommen. Man darf nie in die entgegengesetzte Richtung laufen. Also keine Kompromisse eingehen, die exakt das Gegenteil von dem sind, was man selber für richtig hält oder was man den Bürgerinnen und Bürgern zuvor versprochen hat.
domradio.de: Jetzt sind wir mitten im Wahlkampf. In wenigen Wochen wird der Bundestag neu gewählt. Der Meinung treu bleiben, geht das auch im Wahlkampf oder muss man da auch hin und wieder mal ein Wahlversprechen machen, dass dann später nicht ganz eingehalten werden kann?
Bosbach: Wir haben uns bewusst im Wahlprogramm von CDU und CSU dazu entschlossen, bei neuen Leistungen auch hinzuzufügen, "soweit die Finanzierbarkeit sichergestellt ist". Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Jede staatliche Leistung, die steuerfinanziert ist, setzt ja die notwendige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes voraus, und nur wenn wir weiterhin Wachstum und Wohlstand haben, werden wir uns ein dichtes Netz an sozialer Sicherheit auch weiterhin leisten können. An einer Stelle haben wir uns festgelegt, nämlich bei der Verbesserung der Erziehungsleistungen im Rentenrecht, unabhängig von dem Geburtsdatum des Kindes, und das halte ich persönlich für richtig. Das hat nichts mit Wahlgeschenken oder Wahlversprechen zu tun, sondern das ist ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, dass wir nicht länger ab dem Geburtsjahr 1992 differenzieren.
domradio.de: In einem weiteren Satz der Begründung des Zivilcouragepreises heißt es, Sie engagierten sich sehr mutig für Gerechtigkeit und Aufklärung. Ist dieses Engagement, was Sie da sehr mutig leisten, wie es die Jury sagt, nicht eigentlich für einen Politiker auch ein bisschen selbstverständlich?
Bosbach: Genau so ist es! Das möchte ich sogar ausdrücklich relativieren. Ich werde das auch heute Abend bei den Dankesworten tun, wenn ich hierzu die Gelegenheit habe. In unserer Demokratie muss man nicht besonders mutig sein! In Diktaturen muss man mutig sein. Es gab auch auf deutschen Boden Diktaturen, da haben die Menschen ihr Leben verloren, weil sie mutig gegen die Herrscher angetreten sind. Bei uns gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung. In Demokratien sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass man zu seiner Überzeugung steht. Übrigens auch dann, wenn es auch einmal Gegenwind gibt. Für so besonders mutig halte ich mich nicht. Es gibt viele, die sind viel mutiger als ich.