Zentralrats-Generalsekretär Kramer zum Streit ums Kreuz an der Klagemauer

"Rabinowitsch spricht nicht für die Regierung"

Der für die Klagemauer in Jerusalem zuständige Rabbiner Schmuel Rabinowitsch will nicht, dass Papst Benedikt XVI. bei seinem anstehenden Besuch im Mai dort sein Brustkreuz trägt. Sein Ansinnen stößt auf deutliche Kritik des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die Vorgabe komme einer Ausladung des Papstes gleich, sagt Generalsekretär Stephan J. Kramer.

Johannes Paul II. im Jahr 2000 an der Klagemauer in Jerusalem (KNA)
Johannes Paul II. im Jahr 2000 an der Klagemauer in Jerusalem / ( KNA )

KNA: Herr Kramer, der für die Klagemauer Rabbiner Schmuel Rabinowitsch hat sich dagegen gewandt, dass der Papst bei seinem Besuch dieser Stätte im Mai sein Brustkreuz tragen darf. Wie bewerten Sie diese Aufforderung?

Kramer: Rabbiner Rabinowitsch verwaltet die Jerusalemer Westmauer - in der christlichen Welt als Klagemauer bekannt. In dieser Funktion kommt er oft mit den Großen der Welt in Berührung und hat schon viele Prominente, auch Nichtjuden, beim Besuch der Mauer - sie ist ein Überbleibsel des vor 2.000 Jahren von den Römern zerstörten Jerusalemer Tempelbezirks - begleitet. Und immer wieder hat er beteuert, die heilige Stätte müsse für Angehörige aller Religionen offen bleiben. Die Toleranz ist aber, wie es scheint, mit Auflagen verbunden.

KNA: Haben Sie dafür Verständnis?
Kramer: Das Kreuz, glaubt Rabinowitsch, verletze jüdische Gefühle. Es sei nicht angemessen, den Mauervorplatz mit nichtjüdischen Religionssymbolen zu betreten. Der Würdenträger meint es ernst. Im November 2007 hat er einer Gruppe österreichscher Bischöfe wegen ihrer Kreuze den Zugang zur Westmauer verwehrt. Jetzt soll der Papst - um ein Wortspiel zu machen - dran glauben. Dass Benedikt XVI. sich vom Kreuz trennt, nimmt Rabinowitsch vermutlich in seinen kühnsten Träumen nicht an. So kommt die leise einher schreitende Ermahnung einer Ausladung gleich.

KNA: Teilen Sie diese Bedenken?
Kramer: Nein, man muss sich auch und gerade als Jude sehr wundern. Und zwar darüber, dass der Rabbiner sein religiöses Amt für solche Intoleranz missbraucht. Man muss kein blinder Bewunderer des Papstes sein, um ihm das Recht auf das offene Tragen eines Kreuzes einzuräumen. Auch beim Besuch der Westmauer, durch den er dem Judentum seine Reverenz erweist. Gewiss, es gibt Situationen, in denen man den Papst kritisieren muss - etwa bei der jüngsten Wiederaufnahme des Holocaust-Leugners Williamson in die katholische Kirche, gegen die der Zentralrat der Juden in Deutschland protestiert hat. Der von Rabinowitsch zum casus belli hochstilisierte Papstbesuch an der heiligen Stätte des Judentums gehört aber nicht in diese Kategorie, ganz im Gegenteil. Mal ganz davon abgesehen, dass Benedikts Vorgänger, Johannes Paul II., bei seinem Besuch der Westmauer im Jahr 2000 ganz selbstverständlich mit Brustkreuz an die Mauer trat und - nach jüdischer Sitte - einen Zettel mit seiner Bitte an Gott zwischen die Steine steckte. Das macht Rabinowitschs Forderung geradezu bizarr.

KNA: Sollte der Papst auf den Besuch an der West- oder Klagemauer verzichten, um nicht für Unruhe zu sorgen?
Kramer: Niemand hat Rabbiner Rabinowitsch ermächtigt, im Namen des jüdischen Volkes und des jüdischen Staates aufzutreten. Israel ist übrigens an dem Papstbesuch sehr interessiert. Sollte der Kreuz-Eklat zur Streichung des Mauerbesuchs durch den Papst führen, wären Israels außenpolitische Interessen aufs Schwerste tangiert.

Auch deshalb wäre eine offizielle israelische Klarstellung nötig, dass Rabinowitsch in diesem Fall nicht für die Regierung spricht.