Zentralrat will Streit um Gedenkfeier entschärfen - Treffen mit Lammert

Miteinander statt übereinander

Der Zentralrat der Juden will den Streit mit Bundestagspräsident Norbert Lammert um die Holocaust-Gedenkfeier im Bundestag offenbar entschärfen. Bereits an diesem Donnerstag werde sich Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch mit Lammert treffen, sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, dem Berliner "Tagesspiegel". Es gebe offenbar "ein größeres Kommunikationsproblem", ergänzte Kramer.

 (DR)

Der Zentralrat hatte am Dienstag die Gedenkstunde boykottiert und dies damit begründet, dass seine Vertreter in der Vergangenheit nicht offiziell begrüßt worden waren. Kramer kritisierte in der Zeitung «Die Welt», 60 Jahre nach dem Holocaust sollte es in Deutschland «integrales Selbstverständnis sein», seine Solidarität mit den Überlebenden nicht nur protokollarisch, sondern auch emotional zu dokumentieren. Dass es nicht möglich sein solle, die Zentralratspräsidentin und Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch namentlich zu begrüßen und statt auf der Zuschauertribüne in der Mitte der Parlamentarier zu platzieren, sei an Respektlosigkeit kaum zu überbieten.

In einem Interview mit der «Märkischen Allgemeinen»
(Mittwochsausgabe) griff Kramer Lammert an. Dass dieser von der Absage des Zentralrats aus der Presse erfahren habe, sei eine Lüge. «Er weiß seit ungefähr zehn Tagen von den Absagen», sagte Kramer. Zudem kritisierte er, dass Lammert eine Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht im Bundestag abgelehnt habe.

Der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann, verteidigte das Fernbleiben. Ziel sei gewesen, ein «Zeichen der Nachdenklichkeit» zu setzen, sagte er im «ZDF Morgenmagazin». Der Zentralrat wolle das Ganze jedoch «nicht überfrachten». Den Gedenktag an den Holocaust und die Art und Weise, wie er in Deutschland begangen werde, halte er für würdig, sagte Graumann weiter. «Gedenkstunden haben ihren Platz und ihren Wert. Sie sind wichtig als Signal gegen das Vergessen.» In Deutschland und anderen Ländern gebe es aber nach wie vor Antisemitismus.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) wies einen Teil der Vorwürfe des Zentralrats zurück. Zumindest in seiner Zeit als Bundestagspräsident sei der Zentralrat ausdrücklich begrüßt worden, erklärte Thierse. Der SPD-Politiker verwies auf seine Rede im Januar 2005, in der er den damaligen Zentralratspräsidenten Paul Spiegel persönlich angesprochen habe.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Fritz Rudolf Körper bedauerte den Boykott durch den Zentralrat und sagte: «Das sollte uns allen zu denken geben.» Der Dialog mit dem Zentralrat müsse intensiviert werden.