Zentralrat warnt vor Antisemitismus in Kirchen

"Antisemitischer Bodensatz"

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat vor gravierenden antisemitischen Tendenzen in den Kirchen gewarnt. Präsidentin Charlotte Knobloch forderte am Donnerstag im Gespräch mit "Welt online" zugleich eine Absage der Kirchen an jede Judenmission. "Die jüngsten Ereignisse verdeutlichen, wie tief verwurzelt der antisemitische Bodensatz insbesondere in fundamentalistischen Strömungen der katholischen Kirche ist", sagte sie mit Blick auch auf die traditionalistische Pius-Bruderschaft.

 (DR)

«Es ist erschreckend, mit welchem Selbstverständnis in einer aufgeklärten Gesellschaft jüdische Menschen hinter vorgehaltener Hand oder ganz offen als 'Gottesmörder' bezeichnet werden», bemängelte sie.

Knobloch nimmt am Sonntag an der zentralen Eröffnungsfeier der «Woche der Brüderlichkeit» mit Bundespräsident Horst Köhler im Hamburger Schauspielhaus teil. Sie wird dort aber keinen Redebeitrag halten. Sie erwarte von der Woche, dass von allen Seiten eine deutliche Abgrenzung zu antisemitischen Gruppierungen gezogen werde, die mit jahrhundertealten Stereotypen gegen jüdische Menschen hetzten. Es reiche bei den Kirchen keinesfalls aus, den Antisemitismus zu verurteilen. Vielmehr sei es moralische Pflicht der Kirchen, den innerkirchlichen Antisemitismus offensiv zu bekämpfen.

Knobloch äußerte sich auch zu den Auseinandersetzungen mit dem Vatikan in den vergangenen Wochen. Der Papst habe zwar die Leugnung des Holocaust und jegliche Form von Antisemitismus scharf verurteilt, aber bislang noch keine Konsequenzen bezüglich der antisemitischen Pius-Bruderschaft gezogen. Es sei in diesem Zusammenhang unverständlich und absurd, dass sich der Vatikan vom Holocaust-Leugner Richard Williamson eine Bedenkzeit habe diktieren lassen, damit sich dieser von der Existenz des Holocaust überzeugen könne. «Das ist eine Farce für alle Überlebenden des Völkermords, bei dem sechs Millionen jüdische Menschen ermordet wurden.»

Knobloch kritisierte erneut die Rolle von Papst Benedikt XVI. in der Frage der Judenmission. Die Umformulierung der lateinischen Karfreitagsfürbitte sei als deutlicher Rückschritt im christlich-jüdischen Dialog zu bewerten. «Durch den rückwärtsgewandten Eingriff des Papstes wird einer Geringschätzung der jüdischen Religion das Wort geredet, wie sie einer toleranten Theologie nicht angemessen und deshalb gefährlich ist.»