Zentralrat beklagt oft geringes Wissen über Schoah

"Aufforderung zur Erinnerung"

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat mangelndes Wissen junger Menschen über die Schoah beklagt. Dieses sei "oft erschreckend gering", erklärte Vizepräsident Abraham Lehrer in Berlin. Antisemitismus bereite ihm zunehmend Sorge.

 Zaun in Auschwitz
 / © Markus Nowak (KNA)
Zaun in Auschwitz / © Markus Nowak ( KNA )

Lehrer äußerte sich bei einer Veranstaltung anlässlich des Festjahrs "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" in der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum zum Thema "Wem gehört Erinnerungskultur?".

Schulen müssten den Balanceakt schaffen, "einerseits ausreichendes Wissen über die Schoah zu vermitteln und andererseits zu vermeiden, Juden nur als Opfer darzustellen". Dies sei eine "wahre Herkulesaufgabe", so Lehrer.

Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Julia Steinbrecht (KNA)
Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Mit großer Sorge erfüllt"

Grassierender Antisemitismus belaste das Verhältnis zwischen der jüdischen Minderheits- und der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft und "erfüllt uns mit großer Sorge". Trotzdem sei es während des Festjahres gelungen, "jüdisches Leben noch sichtbarer zu machen und dorthin zu rücken, wo es hingehört: in die Mitte der Gesellschaft".

Erinnerungskultur "gehört niemandem", aber alle seien "aufgefordert sich zu erinnern und entsprechend verantwortlich zu handeln", erklärte Lehrer weiter. Gerade der Krieg in der Ukraine zeige, "wie schnell das Erinnern erlöscht" und wie schnell ein Funke des Hasses zum Flächenbrand führe.

"Ringen um gemeinsames Erinnern"

Kultursenator Klaus Lederer / © Fabian Sommer (dpa)
Kultursenator Klaus Lederer / © Fabian Sommer ( dpa )

Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) erklärte, ohne eine starke jüdische Perspektive könne die Debatte der Erinnerungskultur nicht geführt werden. Gerade in einer bunten Gesellschaft gebe es unterschiedliche Narrative, die zueinander in Beziehung gesetzt werden müssten.

Es müsse endlich "normal sein in Deutschland, Jude zu sein", so Lederer. Die Sicherheit jüdischen Leben dürfe nicht allein ein Thema von Festreden sein; sie müsse kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Die Direktorin der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Anja Siegemund, erklärte, es gebe in Deutschland zum einen die offizielle Erinnerungskultur, zum anderen die oft anders gearteten Familienerzählungen. Dabei werde das Wissen um die Leiden der Deutschen während der NS-Zeit stark weitergegeben, das Wissen um die Täterschaft dagegen weniger. "Wir sollten darum ringen, dass es auch gemeinsames Erinnern gibt", so Siegemund. Dies könne gelingen, "wenn sich alle Menschen aufgerufen sehen, ein Fundament zu bauen durch Empathie mit Opfern und Nachkommen".

Zentralrat der Juden

Der Zentralrat der Juden ist die Spitzenorganisation der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik. Unter seinem Dach sind 23 Landesverbände mit 105 Gemeinden und ihren rund 100.000 Mitgliedern organisiert. Der Rat wurde 1950 in Frankfurt am Main gegründet. Damals lebten noch etwa 15.000 Juden in Deutschland. Vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust waren es bis zu 600.000.

Zentralrat der Juden in Deutschland vergibt Leo-Baeck-Preis / © Christian Ditsch (epd)
Zentralrat der Juden in Deutschland vergibt Leo-Baeck-Preis / © Christian Ditsch ( epd )
Quelle:
KNA