Zelenkas "Missa Votiva" in der Vorstellung

Schwer und leicht zugleich

Von der Form her streng, der Text über Jahrhunderte nicht verändert: Die Worte der Heiligen Messe mit den Teilen Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei werden jede Woche Sonntag für Sonntag in der Katholischen Kirche gesprochen oder gesungen. Ausgerechnet diese relativ starre Vorlage hat über Jahrhunderte Komponisten zu wahren Höchstleistungen getrieben und sie absolute Meisterwerke schreiben lassen. Auch der böhmische Komponist Jan Dismas Zelenka hat mit der "Missa Votiva" ein wahres Kunstwerk geschaffen. In Cantica gibt es die Vorstellung.

Die Dresdner Hofkirche / © Alexander Foxius (DR)
Die Dresdner Hofkirche / © Alexander Foxius ( DR )

Zelenka war ein Zeitgenosse von Johann Sebastian Bach, beide erhielten fast zur gleichen Zeit den Ehrentitel Hofkompositeur vom Sächsischen Hof in Dresden verliehen. Und doch ist ihre Musik vollständig unterschiedlich – Bach schien aber Zelenka durchaus zu schätzen, in seinem Nachlass finden sich einige Abschriften seiner Werke. Bis heute ist Zelenka ein unterschätzter Komponist, er hatte eine ganz eigene Musiksprache irgendwo zwischen Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel. Seine Musik klingt deutlich gefälliger als die Werke Johann Sebastian Bachs, ohne dass sie simpel konstruiert wäre. Die musikalischen Ideen scheinen aus Zelenka nur so heraus zu sprudeln.

Der böhmische Komponist entpuppt sich immer mehr als einer der originellsten Komponisten der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er wirkte über Jahrzehnte als Instrumentalist und Komponist am Sächsischen Hof in Dresden. Da er den jeweiligen Kapellmeister immer nur vertrat und offiziell nie der Chef der Musik des Hofes war, wurde er schon Lebzeiten eher unterschätzt und nach seinem Tod im Jahr 1745 außerhalb von Dresden recht schnell vergessen. Dabei komponierte Zelenka Werke mit musikalischem Witz, Melodiereichtum und großer Schönheit.

Obwohl selbst nie Kapellmeister, schrieb Zelenka zahlreiche Werke für den Dresdener Hof. Der brauchte zu repräsentativen Zwecken viel weltliche und geistliche Musik. Vor allem komponierte Zelenka für die katholischen Gottesdienste; insgesamt über 20 Messvertonungen und zahlreiche Psalmenvertonungen. Dabei ließ er sich von alten Kirchentonarten ebenso beeinflussen wie von Musik aus dem Opernhaus am Zwinger in Dresden nur wenige Meter entfernt. Johann Adolph Hasse wirkte dort, der den Vorzug als Kapellmeister vor Zelenka erhalten hatte und als Opernkomponist sehr berühmt war. Und so finden sich auch in der Missa Votiva Arien, die an Opernmusik der Zeit erinnern, dabei aber nicht das Gespür für den liturgischen Text verlieren.

Über das Leben von Zelenka selbst weiß man recht wenig - Geboren in Böhmen, wurde Zelenka umfangreich an einem Prager Jesuitenkolleg ausgebildet. 1710 begann er im Alter von 31 Jahren am Dresdner Hof zu wirken, zunächst als Geiger, später wurde er 1733 zum Hofkomponisten und 1735 zum „Kirchen-Compositeur“ ernannt. Zudem unternahm er während seines Lebens einige Reisen ins Ausland, um musikalisch auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Zelenka gelang so eine ganz eigene Symbiose aus Traditionsbewusstsein, damals moderner Musik und immer wieder ganz eigenwilligen Tonkonstruktionen. Ein gutes Beispiel für die Verbindung von Tradition und moderner Musiksprache bei Zelenka findet sich zum Beispiel im Credo der Missa Votiva. Der Gregorianische Choral erklingt als Referenz an die katholische Tradition - allerdings als stark verlängerter Cantus Firmus. Das heißt, die Melodie bleibt gleich, die Notenwerte in ihrer Länge werden aber deutlich ausgedehnt. Um die mittelalterliche Hauptmelodie entwickelt Zelenka ein modernes Melodiengeflecht.

Normalerweise komponierte Zelenka mit einem konkreten Auftrag für den fürstlichen Hof in Dresden. Doch seine Messvertonungen der Jahre 1739 bis 1741 hatten keinen offiziellen Auftrag. Das gilt auch für die Missa Votiva, eine Vertonung von über 70 Minuten Länge, besetzt für Gesangssolisten, Chor und Orchester. Zelenka komponierte das Werk vermutlich als Erfüllung eines Gelübdes, nachdem er sich von einer ernsthaften Erkrankung erholt hatte. Den schwungvollen Anfang im Kyrie greift Zelenka am Ende im Agnus Dei  wieder auf und sorgt so für einen sehr geschlossenen Eindruck des Werkes, das eine der längsten Messvertonungen der damaligen Zeit war.

(Erstsendedatum 17.05.2015; 08.05.2016)