Zeitung: Kardinal Wetters Nachfolger soll Triers Bischof Marx werden

Barock und neo-sozial

Monatelang hat sich in Bayern und in Rom das Karussell möglicher Nachfolger des Münchner Kardinals Friedrich Wetter gedreht. Nun verdichten sich die Hinweise, dass der Trierer Bischof Reinhard Marx an die Spitze der größten bayerischen Diözese rücken soll. Eine amtliche Bestätigung gibt es noch nicht, die Ernennung scheint aber kurz bevorzustehen.

 (DR)

Unter Berufung auf Kirchenkreise meldete die "Süddeutsche Zeitung" am Mittwoch, der Trierer Bischof Reinhard Marx (54) gelte als Favorit für die Nachfolge von Kardinal Friedrich Wetter (79). Die bayerische Staatsregierung habe sich am Dienstag mit der Personalie beschäftigt, obwohl sie nicht auf der Tagesordnung gestanden habe. Ein Name sei nicht genannt worden.

Das Kabinett habe Ministerpräsident Günther Beckstein und Kultusminister Siegfried Schneider (beide CSU) ermächtigt, dem Vatikan die Stellungnahme der Staatsregierung für den Bischofskandidaten zu übermitteln, heißt es in dem Beitrag weiter. Nach dem Bayern-Konkordat von 1924 muss die Staatsregierung formal ihre Zustimmung erteilen. Mit der Bekanntgabe der Ernennung durch den Vatikan und das Erzbischöfliche Ordinariat in München ist in den nächsten Tagen zu rechnen.

Die Nachfolge von Kardinal Karl Lehmann
Der 54-jährige Westfale mit der barocken Gestalt hat eine steile Karriere hinter sich: Papst Johannes Paul II. ernannte den damaligen Professor für Christliche Gesellschaftswissenschaften 1996 zum Weihbischof in Paderborn und 2001 zum jüngsten deutschen Diözesanbischof in Trier, der ältesten deutschen Bischofsstadt.

In München würde Marx nicht nur den Vorsitz der Freisinger Bischofskonferenz übernehmen, sondern auch Aussichten auf die Nachfolge von Kardinal Karl Lehmann an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz haben. Vor der Ära Lehmann wechselten sich die Kölner und Münchner Erzbischöfe in dieser Rolle ab. Außerdem dürfte die Verleihung des Kardinalshuts nur eine Frage der Zeit sein.

Der umgängliche Kirchenmann ist schlagfertig, diskussionsfreudig und hat keine Berührungsängste gegenüber den Medien. Er hat im Bistum Trier Verwaltung und Seelsorge mit einer schneidigen Strukturreform aufgemischt und ist dabei mitunter angeeckt. Gleichzeitig versteht er sich als "Muntermacher im Glauben", der "das Zeugnis eines fröhlichen und zufriedenen Priesters geben" will. Marx schätzt eine kräftige Zigarre und einen guten Schluck Wein. Obwohl über Verbindungen zu Bayern bisher wenig bekannt ist, dürfte ihm das Lebensgefühl in München behagen.

Sozialexperte der Bischofskonferenz
In der Deutschen Bischofskonferenz fungiert Marx seit langem als Sozialexperte. Um seinen Nachnamen ranken sich Anekdoten. Als es die DDR noch gab, so erzählt er, "waren die Grenzbeamten überrascht über den 'schwarzen Marx'". Wenn der Professor nach der Wende in Ostdeutschland Vorträge über die katholische Soziallehre hielt, konnte er sich die spitze Bemerkung nicht verkneifen: "40 Jahre habt ihr auf Marx gewartet. Nun ist er gekommen und ist katholischer Priester."

Der laut Medienberichten einzige verbliebene Favorit auf die Wetter-Nachfolge ist als Denker des Sozialen kein Umverteilungs-Nostalgiker Marke "Herz-Jesu-Marxist". Seine Vorstellungen zum Umbau des Sozialstaats in Richtung mehr Eigenverantwortung und Subsidiarität sind eher neo-sozial und decken sich mit den Kernaussagen des neuen CSU-Grundsatzprogramms. Seine Kritik an "abenteuerlichen Managergehältern" hat man ähnlich auch vom früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gehört. Dennoch bliebe abzuwarten, ob und wie Marx das in Bayern traditionell enge Verhältnis zwischen katholischer Kirche und CSU-geführter Staatsregierung fortsetzen würde.

Ein "Zuagroaster" als Hirte - gewöhnungsbedürftig
Theologisch, kirchenpolitisch und vor allem auch liturgisch denkt Marx konservativ. "Wir können doch nicht von den Meinungsumfragen abhängig machen, was wir glauben sollen", sagt er. Und: "Wer den Zeitgeist heiratet, ist morgen schon Witwer." Als der Saarbrücker Priester und Theologieprofessor Gotthold Hasenhüttl am Rande des Ersten Ökumenischen Kirchentags 2003 in Berlin verbotenerweise evangelische Christen zur Kommunion einlud, sah sich Marx zum Einschreiten gezwungen. Als zuständiger Ortsbischof suspendierte er Hasenhüttl von seinen Ämtern. Zu demonstrativ hatte der Professor die Ordnung der Kirche verletzt.

Für die oberbayerischen Katholiken wäre ein "Zuagroaster" als Hirte gewöhnungsbedürftig. Denn das gab es noch nie in der 182-jährigen Geschichte des Erzbistums. Mit dem Pfälzer Wetter amtiert in München immerhin noch ein geborener Bayer. 2006 war Marx Gastgeber des Katholikentags in Saarbrücken. Diese Erfahrung würde ihm für den Zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München zugute kommen. Wetter und Marx verbindet die Wertschätzung des Konzilspapstes Johannes XXIII. Beide zitieren gern seinen Ausspruch: "Wer glaubt, zittert nicht."

Ludwig Ring-Eifel und Christoph Renzikowski (KNA)