Zehn Jahre katholischer Fritz-Gerlich-Filmpreis

Erinnerung an einen unbequemen Journalisten und Nazi-Gegner

Seit zehn Jahren wird in München der Fritz-Gerlich-Preis verliehen. So auch an diesem Mittwoch. Der Preis ehrt Künstler, die sich gegen die Diktatur einsetzen. Der namensgebende Publizist wurde dafür von den Nazis ermordet.

Autor/in:
Beate Laurenti
Filmklapper und Filmrolle auf Holzhintergrund / © Fer Gregory (shutterstock)
Filmklapper und Filmrolle auf Holzhintergrund / © Fer Gregory ( shutterstock )

Er war kein Heiliger, und er irrte sich oft. Doch in entscheidender Stunde wusste er, worauf es ankommt, und bezahlte dafür mit seinem Leben. Die Rede ist von dem Publizisten Fritz Gerlich (1883-1934). Er wurde im Zuge von Hitlers Machtergreifung im März 1933 in München verhaftet und in der Nacht zum 1. Juli 1934 im Konzentrationslager Dachau ermordet.

Zum zehnten Mal wird am 29. Juni auf dem Filmfest in München (23. Juni bis 2. Juli) der nach dem Journalisten benannte und mit 10.000 Euro dotierte Fritz-Gerlich-Preis verliehen. Mit dem einzigen katholischen Filmpreis Deutschlands wird eines Mannes gedacht, der jahrzehntelang ein Schattendasein in der deutschen Erinnerungskultur führte. Geehrt werden sollen Produktionen von Künstlerinnen und Künstlern, die sich wie der Publizist für mehr Menschlichkeit, gegen Diktatur, Intoleranz und Verfolgung einsetzen.

Gegen Nationalsozialisten

Gerlich war kein einfacher Mensch: Als Chefredakteur der "Münchner Neuesten Nachrichten" verfügte er über ein aufbrausendes Temperament, unter Alkoholeinfluss konnte er rabiat werden. Erst die Begegnung mit der oberpfälzischen Mystikerin Therese Neumann soll das Denken des Journalisten radikal verändert haben. Er wandelte sich vom Protestanten zum Katholiken und vom National-Konservativen zum Demokraten. Dieser Umbruch markiert den Beginn von Gerlichs Kampf gegen die Ideologie der Nationalsozialisten.

Fritz Gerlich / © KNA_Bild (KNA)
Fritz Gerlich / © KNA_Bild ( KNA )

Als Redakteur und Miteigentümer der Wochenzeitschrift "Der gerade Weg" wollte sich Gerlich bereits 1930 mit dem einstigen Skandalblättchen dem braunen Ungeist widersetzen. Der Plan: Hitler mit einer zum Kampforgan umgeformten Wochenzeitung stoppen, noch bevor er an die Macht kommt. Der Diktator hingegen duldete keinen Widerstand. "Wer sich uns in den Weg stellt, wird niedergemacht", sagte Hitler nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933. Als die Nazis zehn Tage später in Bayern an die Macht kamen, knöpften sie sich als erstes verhasste sozialdemokratische und katholische Journalisten vor.

"Christlicher Märtyrer"

"Gerlich war ein christlicher Märtyrer", sagt Martin Choroba von der Tellux-Gruppe, die den Preis in Kooperation mit der Erzdiözese München und Freising sowie dem Filmfest München stiftet. Gerlich habe sich der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus publizistisch widersetzt und diesen Widerstand mit seinem Leben bezahlt. Er habe gezeigt, wie wichtig es sei, die eigene Haltung zu schärfen und für sich ein Wertesystem zu formulieren, das der Bedeutung des menschlichen Individuums und seiner Einzigartigkeit gerecht werde. "Eine äußerst aktuelle Herausforderung - in dieser von Kriegen und vielen unterschiedlichen Krisen geprägten Zeit", betont Choroba.

Auf die Auszeichnung hoffen in diesem Jahr "Gott ist ein Käfer" von Felix Herrmann, "Nicht ganz Koscher - Eine göttliche Komödie" von Stefan Sarazin und "The Hole in the Fence" von Joaquin del Paso.

2021 ging der Preis an das Drama "Topside". Der erste Spielfilm des US-amerikanischen Regie-Duos Celine Held und Logan George handelt von einer drogenabhängigen Frau und ihrer fünfjährigen Tochter, die mit anderen Obdachlosen in einem früheren U-Bahnschacht in New York leben. Als die Behörden den Tunnel evakuieren, sucht die Mutter verzweifelt nach einem Unterschlupf.

In ihrer Begründung zog die Jury einen direkten Vergleich zu der Haltung Gerlichs: "Auch in einer extremen, ausweglos erscheinenden Situation kann der Mensch in sich eine Entscheidung treffen, die über ihn selbst hinausweist und einem anderen einen Neuanfang, ein neues Leben ermöglicht."

Gerlich wurde von den Nationalsozialisten in einer Nacht- und Nebelaktion am 30. Juni 1934 aus dem Münchner Polizeigefängnis ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Dort wurde er erschossen, mit anderen Mordopfern verbrannt und anonym beigesetzt. Die Auszeichnung sei ein klares Bekenntnis zu seinem Namensgeber, erklärt Choroba. Im Mittelpunkt stünden Toleranz, zivilcouragiertes Engagement und die damit verbundene Ablehnung totalitärer Herrschaftsformen. Für Gerlich läuft seit 2017 in der katholischen Kirche ein Seligsprechungsverfahren.

Was ist ein Märtyrer?

Der Begriff Märtyrer heißt übersetzt Zeuge. Die Christen der ersten Generationen legten, nachdem sie den Glauben angenommen hatten, Zeugnis von Jesus Christus ab, zunächst durch Worte und in der Verkündigung, durch die Unterweisung und in der Predigt. In der Mitte des 2. Jahrhunderts, als Christen wegen ihrer Zeugenschaft im römischen Reich verfolgt wurden, wurde der Begriff Märtyrer genauer gefasst. Alle wegen ihres Glaubens hingerichteten Christen hießen nun Märtyrer.

Die Seelen der Märtyrer / © Illustration aus den Beatus-Apokalypsen des Meisters Pedro (8. Jhdt.)
Die Seelen der Märtyrer / © Illustration aus den Beatus-Apokalypsen des Meisters Pedro (8. Jhdt.)
Quelle:
KNA