ZdK-Sprecher zum Europatag unter schwierigen Vorzeichen

"Ohne Europa wäre unsere Welt ärmer"

Im krisengeschüttelten Europa kommt keine Feierstimmung am Europatag auf. Doch Europa hat weiter eine große Zukunft, prophezeit Martin Kastler vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Autor/in:
Das Interview führte Hilde Regeniter
Die ständige Baustelle Europa (dpa)
Die ständige Baustelle Europa / ( dpa )

domradio.de: Warum brauchen wir trotz aller Krise heute noch Europa?

Martin Kastler (Europapolitischer Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Weil wir in Europa friedlich miteinander leben, weil wir eine starke Wirtschaft haben, weil wir einfach gut als europäische Völker zusammenpassen und wir dieses Modell dieses langen Friedens und dieser Demokratie, dieses rechtsstaatlichen Systems und dieser Freiheit und dieser Menschenrechte auch für unsere Kinder und für unsere Enkelkinder erhalten sollten. Wir genießen es derzeit, wir wissen um die Probleme, aber ich glaube: Ohne Europa wäre unsere Welt um vieles ärmer und es wäre viel gefährlicher.

domradio.de: Viele Populisten in Europa grenzen sich im Moment vor allem ab – was verbindet die Menschen in Europa?

Kastler: In Europa leben wir alle, egal wo, auf einem Kontinent, der so gut miteinander auskommt wie seit Jahrhunderten nicht. Was uns verbindet, merkt man an unserer gemeinsamen Kulturgeschichte, unserer Art zu leben, wie wir miteinander Wirtschaft betreiben, wie wir miteinander umgehen. Das ist etwas, was mehr verbindet als trennt. Darauf muss auch die hohe Politik berücksichtigen, ob in Brüssel oder Berlin, in Prag oder Rom. Sie muss diese Sensibilität wahren.

domradio.de: Die europäische Idee beruht nicht zuletzt auf einer Gemeinschaft christlich geprägter Staaten. Wie kann auch die Kirche in Europa zu mehr europäischem Denken beitragen?

Kastler: Die Kirche ist in Europa vielfältig, wie es auch die europäischen Völker sind. Das spürt man nicht nur über die Konfessionen hinweg, sondern auch innerhalb der Konfessionen. Sie sehen einen ganz großen Bogen von kirchlichen Äußerungen aus der katholischen Kirche, die in München ganz anders klingen als in Prag, die auf der evangelischen Seite in Budapest ganz anders klingen als bei den reformierten Kirchen in den Niederlanden. Hier gibt es eine ganz unterschiedliche Bandbreite. Es wäre schön, wenn sich die Christen und diejenigen, die die christlichen Kirchen leiten, gemeinsam für dieses Europa auch einsetzen - damit dieses Europa Bestand hat gegen alle diejenigen, die diese EU momentan am liebsten abschaffen würden.

domradio.de: Ist die Verleihung des Karlspreises an Papst Franziskus da ein Zeichen, das Mut macht?

Kastler: Auf alle Fälle. Wir freuen uns mit Papst Franziskus, dass er diesen Preis erhalten hat und diese Ehrung in Rom erhalten hat. Ich glaube, es ist eine Ermutigung für alle die Christen, die sich engagieren für dieses Europa, auch für die zukünftigen Jahre, die wir hier in Europa miteinander in der EU arbeiten und leben wollen. Von daher ist es zu diesem Zeitpunkt unheimlich wichtig, dass ausgerechnet Papst Franziskus diesen Karlspreis bekommen hat.

domradio.de: Was glauben Sie: Hat Europa eine Chance, diese Krisen zu bewältigen und gestärkt daraus hervor zu gehen?

Kastler: Ich bin mir sicher, dass dieses Europa eine echte Chance hat - aber nur dann, wenn die Menschen auch wirklich mitgenommen werden. Das ist jetzt die große Kunst der politischen Staatschefs in Europa, dass man sich trotz aller unterschiedlichen Auffassungen bei den Problemen zusammenrauft: Ob das die Euro-Rettung ist, ob das die Migrations- und Flüchtlingskrise ist oder auch, wie die Institution der EU weitergeht. Wenn wirklich alle 28 Staatschefs gemeinsam dieses Europa wollen und gemeinsam auch die Menschen überzeugen wollen und alle Anstrengungen daran setzen und sich nicht dauernd mit einem Klein-Klein beschäftigen, sondern in dieser großen Frage dieses friedlichen, großen Europas in Form der EU - dann bin ich fest davon überzeugt, dass dieses Europa Im krisengeschüttelten Europa kommt keine Feierstimmung am Europatag auf. Doch Europa hat weiter eine große Zukunft, prophezeit Martin Kastler vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken.hat.


Quelle:
DR