ZdK-Präsident Glück zum Gesprächsprozess zur Zukunft der katholischen Kirche

Dutzende von Problemen

Im Rahmen des Gesprächsprozesses zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland lädt die Deutsche Bischofskonferenz Mitte September zu einem zweiten Gesprächsforums nach Hannover ein. Im domradio.de-Interview äußert sich dazu der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück.

 (DR)

domradio.de: Was erwarten Sie sich von Hannover?

Glück: Die deutliche Botschaft, dass die katholische Kirche in Deutschland nicht nur um sich selbst, um die eigenen Befindlichkeiten kreist, sondern dass sie für die Menschen da ist, auch in ihren sozialen Nöten, in ihren Lebenswirklichkeiten. Dass sie die aktive Rolle in der Gesellschaft weiter übernehmen will. Dass sie nicht in eine Richtung geht, die ja in unserer Kirche auch durchaus vertreten wird nach dem Motto: Wir haben absehbar weniger Personal, insbesondere weniger Priester aber auch weniger Gläubige, weniger junge Menschen, weniger Geld, und wir ziehen uns zurück auf ein Kerngeschäft, das dann verstanden wird als innerkirchliche Lebensaktivitäten. Das wäre fatal, das wäre ganz gegen die Botschaft des Konzils, und ich verstehe auch Thema und Initiative der Bischofskonferenz für Hannover so, dass genau deutlich werden soll, dass katholische Kirche in Deutschland für die Menschen, für die Gesellschaft, für all diese Aufgaben weiter da sein will und da sein wird.



domradio.de: Die Bischöfe wollen verlorengegangenes Vertrauen zurückerobern. Die Bischöfe haben, das haben auch die Laien bestätigt, einen guten Auftakt in Mannheim mit der ersten Veranstaltung gemacht. Alle sind sehr zufrieden von Mannheim abgereist und haben gesagt, dass das ein guter Auftakt war, jetzt geht es weiter. Was muss passieren, damit auch Hannover als positives Signal gewertet wird?

Glück: Dass es in Hannover ein ebenso offenes Gesprächsklima gibt, dass nichts tabuisiert und verdrängt wird, wie es auch in Mannheim war. Das ist für sich schon zunächst einmal vertrauenstiftend. Mannheim hat hier sehr positiv gewirkt, weil auch Ängste abgebaut wurden. Nur wenn man wechselseitiges Vertrauen hat, geht man auch miteinander in ein schwieriges Gelände.



Es muss aber insbesondere in Hannover auch deutlich werden, dass bestimmte Themen dann konkret angepackt werden. Insbesondere Themen, die durchaus möglich sind, ohne dass man im Kirchenrecht etwas verändern muss. Themen, die in deutscher Souveränität behandelt werden können. Etwa die Frge, wie wir das künftige Verhältnis von Kirche und Staat angesichts der Veränderungen in der Kirche, aber auch der Veränderungen in Kirche und Staat, gestalten wollen. Wie positionieren wir uns in den Themen, die jetzt die Menschen aufwühlen? Die großen Krisen etwa im Ökonomischen, im Sozialen, in Europa. Die Schöpfung, das Klima. Wir leben ja im Moment in einer Verdichtung von Krisen. Wo bringen wir uns wie ein? Wie übersetzen wir die Prinzipien und Kriterien christlicher Soziallehre in die heutige Zeit? Katholische Kirche in Deutschland hat ganz wesentlich das heutige Gemeinwesen mit geprägt, den Sozialstaat, die soziale Marktwirtschaft, etc. Die Menschen erwarten doch eigentlich zu Recht Antworten. Ich hoffe auch, dass sie uns dann noch fragen: So liebe Katholiken und liebe Christen, wo ist denn euer Beitrag jetzt in diesen Zeiten, in diesen Krisen? Das sind die Themen, um die es aus meiner Sicht geht. Bis hin zu der Frage: Was ist denn das spezifisch Katholische bei Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft, vom Krankenhaus bis zum Kindergarten.



domradio.de: Da kann es dann Probleme geben. Ich mache es mal ganz konkret: Eine Kindergärtnerin, die geschieden ist und dann wieder heiraten will. Da gibt es auch Probleme bei der Sakramentenzulassung. Die Rolle der Frau allgemein ist ein weiteres innerkirchliches Thema. Was denken Sie, wird dort passieren in Hannover?

Glück: Hannover kann die vielen dutzenden von Problemen nicht lösen. Aber aus Hannover heraus sollte es sichtbar werden und vielleicht auch Druck entstehen, diese Themen konkreter anzupacken, Und nicht so nach dem Motto: Immer hinhalten den Widerstand und irgendwo wird es schon weitergehen. Sondern aus der mehr leidenden, passiven Rolle oder manchmal auch jammernden Rolle in eine aktiv gestaltende Rolle wechseln. Da geht es natürlich allerdings auch um Wahrhaftigkeit für die Kirche. Es kann ja nicht sein, dass jemand im kirchlichen Bereich beschäftigt werden kann, der geschieden ist, in einer neuen Partnerschaft lebt, es soweit auch akzeptiert wird, aber in dem Moment, wo die beiden sagen, wir wollen miteinander eine neue geregelte Situation der Verheiratung eingehen, dann die Kündigung kommt. Dann muss man gegebenenfalls auch Mechanismen des Arbeitsrechts ändern. Das sind jedenfalls alles Dinge, die höchst regelungsbedürftig sind und wo wir um der Menschen willen, aber auch um der Glaubwürdigkeit willen, andere Wege und Lösungen finden müssen.



domradio.de: Jetzt kann man in Hannover nichts konkret beschließen. Trotzdem erwarten viele doch eine gewisse Handlung. Wie kann man das herbeiführen? Kann man zumindest Papiere verabschieden, die sehr deutlich werden?

Glück: Man kann in Hannover nicht Papiere verabschieden. Das wäre ja nicht seriös. Bei der Fülle der Themen, die wir jetzt schon in der kurzen Zeit besprechen und die in Hannover da sein werden, dann Abstimmungen herbeizuführen, das wäre dann ein oberflächiger Aktionismus. Aus meiner Sicht ist es ganz wichtig, dass die Bischofskonferenz nach Hannover sorgfältig auswertet und daraus ein konkretes Arbeitsprogramm entsteht. Und wir werden auch als Zentralkomitee Hannover auswerten und gegebenenfalls daraus auch ein spezifisches Arbeitsprogramm entwickeln. Ich denke, dass es in einigen Dingen auch ganz hilfreich wäre, wenn wir das gemeinsam tun könnten - Bischofskonferenz und Zentralkomitee - weil viele dieser Fragen zur Kirche in der Welt ja letztlich von den Laien in den politischen Ämtern, in den gesellschaftlichen Gruppierungen, realisiert werden müssen. Und Laien können in dem Fall auch nicht nur die Befehlsempfänger der Beschlüsse einer Bischofskonferenz sein. Wir müssen miteinander, auch mit der Kompetenz von Laien, die entsprechenden Lösungen erarbeiten. Und das muss konkret werden in einigen Schlüsselthemen. Wir müssen als ersten Schritt definieren: Was sind jetzt die dringendsten Themen für die nächste Zeit? Wie gehen wir sie an? Und in welchen Bereichen ist es am sinnvollsten, es gemeinsam zu tun.



Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.



Hintergrund

Glück äußerte sich im Vorfeld des zweiten Gesprächsforums, zu dem die Deutsche Bischofskonferenz im Rahmen des Gesprächsprozesses zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland Mitte September nach Hannover einlädt. Das Treffen, zu dem 300 Delegierte erwartet werden, steht unter dem Leitwort "Die Zivilisation der Liebe - unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft" und rückt die Diakonie in den Mittelpunkt.



Die Bischofskonferenz hatte den Dialogprozess 2010 im Zuge des Missbrauchsskandals beschlossen, um Vertrauen zurückzugewinnen.