Zahllose Vereine wollen 2,3 Millionen "gemeinnützige" Euro

Ran an die Mannesmann-Millionen

Mitte der Woche ist Deutschlands spektakulärstes Wirtschafts-Strafverfahren zuende gegangen. Gegen Geldauflagen in Millionenhöhe wurde der Mannesmann-Prozess eingestellt. Zwischen Empörung Oskar Lafontaines und Verständnis Dieter Bohlens - die Reaktionen danach waren heftig. Ebenso intensiv: Die Arbeit für den Pressesprecher des Düsseldorfer Landgerichts. Seit der Urteilsverkündung muss er täglich Dutzende Briefe beantworten. Beschwerden über das Ende ohne Urteil. Und Bewerbungen für die Verteilung der millionenschweren Bußgelder.

 (DR)

Mannesmann-Prozess eingestellt

Im Rennen: 2,3 Millionen "gemeinnützige" Euro
Es sind die vermutlich intensivsten Tage seiner Amtszeit als Pressesprecher des Düsseldorfer Landgerichts: Seit der Einstellung des Mannesmann-Verfahrens am Mittwoch muss Ulrich Thole Schwerstarbeit leisten. Der Richter und Familienvater ist für die Außendarstellung des Gerichts zuständig, seit Mittwoch steht sein Telefon nicht mehr still. Doch nicht nur hier türmen sich die Anfragen: Ständig kommen neue E-Mails, Faxe oder Briefe. Der Inhalt: Beschwerden über das Ende ohne Urteil und Bewerbungen für die Verteilung der millionenschweren Bußgelder.

Geldauflagen in Höhe von 5,8 Millionen Euro hatte das Gericht verhängt, 60 Prozent davon fließen in die Staatskasse. Die übrigen 40 Prozent sollen gemeinnützigen Vereinen und Organisationen zugute kommen. Offenbar hatte Mannesmann-Richter Stefan Drees vor gut einer Woche noch nicht ganz eine Verfahrenseinstellung ins Spiel gebracht, da flatterten seinem Kollegen Thole schon die ersten Anfragen auf den Tisch. „Dabei geht es gar nicht darum, möglichst der erste zu sein", erklärt Thole, „das Gericht wird gewissenhaft alle Anfragen prüfen."

Zwischen bescheiden und dreist
Bislang seien mehr als 150 Bewerbungen eingegangen - Tendenz weiter „stark steigend". Mit darunter sind beispielsweise ein Zoo, mehrere Museen, botanische Gärten, freiwillige Feuerwehren, Schulfördervereine oder Sportklubs. So fragte ein Fußballverein aus dem Raum Aachen höflich an, ob ein paar neue Trikots für die Jugendabteilung „drin" wären. „Eine bescheidene Anfrage", meint Thole, „350 Euro sollen diese Trikots kosten." Bescheiden vor allem deshalb, weil sich die Mitbewerber teilweise weit weniger zurückhaltend geben. „Eine Frau wollte wissen, ob sie nicht ein paar hunderttausend Euro haben kann, sie glaubt gute Ideen für die Behandlung von Wachkomapatienten zu haben."

Dreiste Anfragen sind laut Thole aber die Ausnahme. In den meisten Fällen schildern gemeinnützige Vereine konkrete Projekte, für die noch Geld benötigt wird. Da kämen die „Ackermann-Millionen" gerade recht. Laut Gericht handelt es sich um die größte Summe, die jemals von Seiten der Justiz in Düsseldorf verteilt wurde. „Auch überregional dürfte diese Summe herausragend sein", so Thole. Anfang 2007 soll über die Verteilung des Geldes entschieden werden. Die Angeklagten dürfen zwar bezahlen, ein Mitspracherecht hinsichtlich der Verwendung haben sie aber nicht.

„Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen"
Während Thole die vielen Bewerbungen sortiert und weiterleitet, hat er nebenher auch noch mit etlichen Beschwerden zu kämpfen. „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen" steht in vielen Mails, andere bezeichnen die Verfahrenseinstellung als „bodenlose Frechheit" oder „Unverschämtheit". Direkte Drohungen seien noch nicht darunter gewesen. „Es geht aber recht rustikal zu."

Die Beschwerden kommen aus allen Bevölkerungsschichten. „Lieschen Müller" ist genauso dabei wie Universitäts-Professoren. Thole kann ihren Unmut nicht verstehen und stellt sich vor seinen Kollegen Drees. „Viele begreifen die juristischen Zusammenhänge nicht und wollen ihrem Unmut Luft machen. Vielleicht geht es ihnen besser, wenn sie mit mir gesprochen haben und sie ihrem Ärger freien Lauf lassen konnten."