Yildirim-Auftritt in Oberhausen

Demonstrationen und Kritik

Mehr als 800 Menschen haben gegen den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim im Ruhrgebiet demonstriert. Menschenrechtler hatten die Veranstaltung im Vorfeld als "Skandal" kritisiert.

Anhänger der türkischen Regierung in Oberhausen / © Roland Weihrauch (dpa)
Anhänger der türkischen Regierung in Oberhausen / © Roland Weihrauch ( dpa )

Mehr als 800 Menschen haben gegen den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim im Ruhrgebiet demonstriert. Die zwei Gegendemonstrationen verliefen friedlich, wie die Polizei Oberhausen mitteilte. Zwischenzeitlich sei es zu Provokationen zwischen Teilnehmern der Veranstaltung der "Union Europäisch-Türkischer Demokraten" (UETD) und den Gegendemonstranten gekommen, bei denen die Polizei einschritt. Es wurden sechs Platzverweise ausgesprochen, aber niemand in Gewahrsam genommen oder verletzt.

Zu der Veranstaltung mit Yildirim in der Oberhausener König-Pilsener-Arena kamen nach Angaben der Polizei rund 10.000 Menschen. "Sie sagen, dass ein Ein-Mann-System kommt", sagte er über Kritiker der Reform. "Gibt es in Deutschland etwa zwei Kanzler? In einem Präsidialsystem gibt es natürlich nur einen Präsidenten. Auf einem Schiff kann es nicht zwei Kapitäne geben."

Werbung für umstrittenes Referendum

Yildirim warb in Oberhausen für das Referendum über die umstrittene Verfassungsreform in der Türkei am 16. April, über die auch in Deutschland lebende Türken abstimmen können. Mit der Reform will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan das parlamentarische System in der Türkei durch ein Präsidialsystem ersetzen. Er hatte das Referendum gleichzeitig mit einer Entscheidung über die Einführung der Todesstrafe in der Türkei verknüpft.

Der Ministerpräsident forderte die in Deutschland lebenden Türken zu "sehr hohem Selbstbewusstsein" auf. "Ich möchte, dass ihr euren Pass der Republik Türkei und eure Identität mit Stolz tragt", sagte er. Zugleich rief er sie dazu auf, Deutsch zu lernen und von ihrem politischen Mitspracherecht Gebrauch zu machen.

Beck: Forderung nach Konsequenzen in Ditib-Affäre

Der Grünen-Politiker Volker Beck forderte die Bundesanwaltschaft auf, Ermittlungen gegen Yildirim wegen der Spitzelaffäre um Imame des türkischen Islamverbands Ditib aufzunehmen. Die türkische Religionsbehörde Diyanet, in deren Auftrag die Imame Anhänger der Gülen-Bewegung bespitzelt haben sollen, sei dem Ministerpräsidenten unmittelbar unterstellt, sagte Beck.

"Die Bundesregierung dürfte Yildirim nicht amtlich eingeladen haben, damit er in Oberhausen für die Beseitigung demokratischer Prinzipien in der Türkei beim Referendum Wahlkampf macht", sagte der Kölner Bundestagsabgeordnete am Samstag. Deshalb sei Yildirim als Privatperson in Deutschland und genieße keine Immunität. Beck forderte die Ermittlungsbehörden auf, den türkischen Ministerpräsidenten während seines Deutschlandaufenthalts zu vernehmen.

Auch von anderen deutschen Politikern wurde der Auftritt des Ministerpräsidenten scharf kritisiert. "Wer bei uns Meinungsfreiheit beansprucht, sollte auch selbst Rechtsstaat und Pressefreiheit gewährleisten", sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Im Vorfeld der Veranstaltung sagte die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner: "Solche antidemokratischen und autoritären Werbeveranstaltungen haben auf deutschem Boden nichts verloren, zumal damit auch innertürkische Konflikte in unser Land getragen werden."

"Gegen europäische Grundwerte"

Der Auftritt von Yildirim hatte im Vorfeld eine Welle von Kritik ausgelöst. Der Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Martin Lessenthin, forderte gegenüber domradio.de einen breiten Protest - auch von Seiten der deutschen Poltik. 

"Was hier geschieht, ist im Grunde genommen undenkbar", so Lessenthin im domradio.de-Interview. Der Auftritt sei mit dem Grundgesetz, mit der traditionellen deutschen Außenpolitik vor allem mit den europäischen Grundwerten nicht vereinbar. 


Binali Yildirim / © Str (dpa)
Binali Yildirim / © Str ( dpa )
Quelle:
dpa , DR