Wulff und Gauck positionieren sich kurz vor der Bundespräsidentenwahl

Zölibat und die Frage nach Gerechtigkeit

Wenige Tage vor der Wahl des neuen Bundespräsidenten positionieren sich die beiden Kandidaten weiter: Der ehemalige evangelische Pastor Joachim Gauck zeigt soziales Profil und kritisiert das Sparpaket der Bundesregierung. Der Katholik Christian Wulff betont die Bedeutung seines Glaubens - wünscht sich aber auch gleichzeitig Reformen in seiner Kirche.

 (DR)

Die katholische Kirche sollte nach Ansicht des Präsidentschaftskandidaten von Union und FDP die Pflicht der sexuellen Enthaltsamkeit für Priester überdenken. Der "Bild am Sonntag" sagte der niedersächsische Ministerpräsident, viele wären hervorragende Priester, fühlten sich den Anforderungen des Zölibats aber nicht gewachsen. "Auf sie sollte die Kirche nicht verzichten", empfahl Wulff.

"In der katholischen Kirche muss es eine stärkere Debatte über die Rolle der Frau und Ämter für Frauen geben. Diese Debatte sollte auch den Zölibat nicht aussparen", sagte der CDU-Politiker.

"Mir gibt der Glaube ein Wertegerüst"
Wulff, der am Mittwoch nächster Woche zum zweiten katholischen Bundespräsidenten in der Geschichte der Bundesrepublik gewählt werden will, forderte von der katholischen Kirche angesichts des Skandals um den zurückgetretenen Bischof Walter Mixa rückhaltlose Aufklärung: "Die katholische Kirche muss Missstände beseitigen, für die Schuldigen Konsequenzen ziehen und für die Zukunft Vorkehrungen treffen, dass sich so etwas nicht wiederholt." Wenn die Kirche keinen dauerhaften Bedeutungsverlust erleiden will, dürfe nichts vertuscht oder verharmlost werden."

Gefragt nach der persönlichen Bedeutung des Glaubens sagte Wulff der Zeitung: "Mir gibt der Glaube ein Wertegerüst, Orientierung, Bindung und das Vertrauen, dass da etwas über uns ist, dass es eine Letztverantwortung und eine Perspektive über den Tod hinaus gibt."

Gauck für mehr Gerechtigkeit beim Sparpaket
SPD- und Grünen-Bundespräsidenten-Kandidat Joachim Gauck fordert mehr soziale Gerechtigkeit beim Sparpaket der Bundesregierung. "Wenn gespart wird, kann es nicht angehen, dass es die einen, die tatsächlich wirtschaftliche Probleme haben, deutlich trifft und die anderen, denen es vielleicht kaum weh tut, weniger oder gar nicht herangezogen werden", sagte er der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Samstagsausgabe). Wer am unteren Rand der Gesellschaft lebe, "spürt den Wegfall des Heizkostenzuschusses sofort".

Auch er selbst würde mehr Steuern zahlen, um einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit zu leisten, sagte der frühere Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde und fragte: "Würde es den Verlust von Lebensqualität bedeuten, wenn man im oberen Segment ein bisschen mehr wegnimmt?" Freiheit müsse sich an das Gemeinwohl binden, betonte Gauck. "Sie nimmt den besser Gestellten, um es den schlechter Gestellten zu geben, und schafft damit soziale und ökonomische Voraussetzungen für eine möglichst große Chancengleichheit." Kinder und Jugendliche müssten unabhängig von Elternhaus oder sozialer Herkunftüber gleiche Bildungschancen haben.

Als idealen Staat bezeichnete Gauck "die solidarische Gesellschaft, in der der Einzelne für sich Verantwortung übernimmt und wir alle füreinander". Jeder Bürger sollte ein Ehrenamt ausüben.