Wort des Bischofs

Der Leib Christi braucht Heilung

Am Sonntag geht der Anti-Missbrauchgipfel im Vatikan zu Ende. Kardinal Woelki stellt nun ein weiteres Mal klar: Im Erzbistum Köln gilt bei Missbrauch Null Toleranz! Und so sollte es in der gesamten Weltkirche sein.

 (DR)

Der Leib Christi braucht Heilung "Leib Christi" – dieses Bild hat das Zweite Vatikanische Konzil für die Kirche verwendet. Ich finde das sehr treffend. Unser Glaube verbindet uns, als wären wir ein einziger, lebendiger Organismus. Die Gläubigen sind mit Christus verbunden. Und wie beim Körper sind auch die verschiedenen Glieder aufeinander angewiesen. Fromme Worte, aber das schöne Bild hat derzeit eine Schräglage: Der Leib Christi ist erkrankt. Die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs in unseren Reihen wiegen schwer. Sie treffen uns alle, denn die Glaubwürdigkeit unserer Kirche insgesamt steht auf dem Spiel. Wut und ein Gefühl der Ohnmacht auch in den eigenen Reihen sind nicht verwunderlich. Es geht mir da nicht anders, als vielen von Ihnen. 

Wir wissen spätestens seit der MHG-Studie Ende 2018: In der Kirche konnte viele Jahrzehnte lang Missbrauch wie ein Krebsgeschwür wuchern. Hinzu kommt: Die Kirche litt an einem Symptom des Sprachverlustes. Verantwortliche haben zu lange über den vielfach schlechten Zustand des Leibes schlicht geschwiegen. Ein kranker Leib braucht Heilung – dafür tragen wir alle die Verantwortung. Es ist gut, dass diese Erkenntnis nun ehrlich ausgesprochen ist. Um den Leib zu heilen, müssen wir uns Dinge eingestehen. Es braucht eine Erneuerung von innen, statt Dinge einfach abzuschneiden. Das wird dauern. Aber ich bin zuversichtlich: Es wird gelingen! Die erste Maßnahme: Hinsehen und Zuhören. Wir müssen uns Menschen aussetzen, denen unter dem Deckmantel der pervertierten „Dienern Gottes“ Leid angetan wurde. Dafür braucht es Begegnungen und Gespräche. 

In unserem Erzbistum gibt es dafür einen Betroffenenbeirat. Wir müssen weltweit einheitlich hohe Standards etablieren, wie wir sie im Erzbistum Köln und anderen Bistümern seit Jahren haben. Im Bereich der präventiven Schulung, bei der absoluten "Null-Toleranz" in Interventionsfällen und bei der unabhängigen Aufklärung der Alt-Fälle. Außerdem wollen wir unsere Mitarbeitenden sorgfältig ausbilden und unterstützen. Klar ist: Wer Jesus in besonderer Nachfolge sakramental repräsentiert, nimmt ein "Mehr" auf sich. Mehr Dienst an den Menschen. Mehr moralischen Anspruch an sich selbst. Dazu braucht es starke und reife Persönlichkeiten ohne Hybris. Es braucht Menschen, die Jesus den Weg bereiten wollen. Für all das trägt die Kirche ein Mittel der Selbstreinigung in sich, das nicht zu unterschätzen ist. Jesus Christus selbst wirkt in ihr: Durch die Botschaft des Evangeliums, vermittelt durch seinen Geist. Diese Zusage hört niemals auf, denn Gott ist treu. Es ist deshalb unsere Aufgabe, verlorenes Vertrauen durch Aufrichtigkeit und Konsequenz wiederzugewinnen. Das wollen wir tun. Die Kirche soll wieder zu einem Leib werden, auf den Gott selbst zufrieden herabschaut. ER ist der Heiland. Er ist der „Herr seiner Kirche“.

Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln