Wort des Bischofs

SOS – Flüchtlinge ertrinken in unserer Gleichgültigkeit!

Die Nachrichten über im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge reißen nicht ab. Diese Meldungen und die aktuelle Flüchtlingspolitik bringen Kardinal Woelki in Rage: "Da kann und will ich nicht zur Tagesordnung übergehen", so der Kölner Erzbischof.

 (DR)

Was ich hier um meinen Hals gelegt habe, ist eine moderne Schwimmweste. Ich möchte so erneut darauf aufmerksam machen, dass im Mittelmeer bis jetzt schon wieder weit über 1.000 Flüchtlinge qualvoll ertrunken sind. Ertrunken im schönen blauen Badewasser, wo viele von uns gerade noch ihre Urlaubsfreuden hatten. Da kann und will ich nicht zur Tagesordnung übergehen. Selbst wenn durch staatliche und private Initiativen Zehntausende gerettet werden konnten, fühle ich mich hier hilflos. Jeder einzelne tote Flüchtling ertrinkt auch in unserer Gleichgültigkeit!

"Aber Herr Kardinal, die Zahl der Flüchtlinge ist doch deutlich zurückgegangen!" Ja, aber doch nur deshalb, weil Notleidende auf europäischem Boden unerwünscht sind. Die Schutz und Hilfe suchenden Menschen werden jetzt z.B. zurück in die Horrorlager nach Libyen geschafft. Ein Land, wo Flüchtlinge erneut verraten, verfolgt, verprügelt und vergewaltigt werden. Aber wir haben so eine saubere Weste und weniger Flüchtlinge. Ich finde, das ist zynisch.

Als Bischof trage ich, wie alle Priester, oft eine Stola über meinen Schultern – fast wie diese Rettungsweste. Die Stola ist ein Zeichen. Es steht für das Joch Christi, also den Auftrag Christi. "Was Ihr dem Geringsten meiner Schwestern und Brüder getan habt, das habt Ihr mir getan!", so lautet ein Kernauftrag Jesu. Wenn ich aktuell höre, die privaten Hilfsaktionen würden die Rettung behindern oder hätten gar Schlepper begünstigt, so werde ich richtig ärgerlich. Die vielen ehrenamtlichen Helfer von "Jugend rettet" oder "MOAS" sind mit ihren Rettungsschiffen doch erst aufgebrochen, als so viele Menschen im Meer ertranken. Sie haben mit Ihren engagierten Hilfsarbeiten begonnen, weil unsere staatliche und europäische Hilfe halbherzig war und oft viel zu spät kam.

Auf hoher See ist jeder verpflichtet, Ertrinkende zu retten. SOS – "Save our Souls!" Jeder von uns kann auch etwas für seine eigene Seele tun, wenn er notleidenden Flüchtlingen hilft. Ganz egal wie und wo – und nicht nur im Mittelmeer. Helfen und Retten – das ist nicht nur ein Auftrag für die christliche Seefahrt!

Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln


Quelle:
DR