Wollte Gänswein das Erscheinen seines Buchs verhindern?

"Niemand ist unglücklicher als er"

"Nichts als die Wahrheit - Mein Leben an der Seite Benedikts". So heißt das neue Buch von Erzbischof Georg Gänswein. Seit Bekanntwerden des Werkes hagelt es Kritik. Wollte Gänswein die Veröffentlichung eigentlich sogar verhindern?

Erzbischof Georg Gänswein / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Georg Gänswein / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: War es der Plan von Erzbischof Gänswein, so kurz nach dem Tod von Benedikt XVI. sein Buch auf den Markt zu bringen, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzeugen?

Ludwig Ring-Eifel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ludwig Ring-Eifel / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Ludwig Ring-Eifel (Rom-Korrespondent der katholischen Nachrichtenagentur / KNA): Ich glaube nicht, dass das Gänsweins Absicht war. Es war aber sicher die Absicht des Verlags. Für den Verlag konnte es natürlich keinen besseren Moment als das Begräbnis von Benedikt geben. In diesem Moment richten sich alle Augen auf Rom. Es ist geschickt, dann mit den ersten Details aus dem Buch rauszukommen. Das ist aber allein Sache des Verlags gewesen.

Ludwig Ring-Eifel, Rom-Korrespondent der katholischen Nachrichtenagentur, KNA

"Es heißt, Gänswein sei sehr unglücklich darüber, dass der Verlag so vorgeprescht ist."

Ich habe mit Gänswein nicht persönlich gesprochen, aber es heißt, Gänswein sei sehr unglücklich darüber, dass der Verlag so vorgeprescht ist. Doch Verlage haben ihre eigenen Marketingüberlegungen. So hat Gänswein es nicht gewollt.

DOMRADIO.DE: Gänswein soll sogar versucht haben, das Erscheinen des Buches zum jetzigen Zeitpunkt zu verhindern. Was weiß man darüber?

Ludwig Ring-Eifel, Rom-Korrespondent der katholischen Nachrichtenagentur, KNA

"Es sah aus, als ob er von der Aufmerksamkeit der Beerdigung profitieren wolle. Das ist überhaupt nicht seine Art."

Ring-Eifel: Ich kann nur sagen, dass es aus dem Vatikan derartige Versuche gab. Ob die von Gänswein kamen, weiß ich nicht. Ich kann es mir aber gut vorstellen. Es sah aus, als ob er von der Aufmerksamkeit der Beerdigung profitieren wolle. Das ist überhaupt nicht seine Art. Ich kenne ihn schon seit vielen Jahren und glaube, dass niemand unglücklicher über den Zeitpunkt der Buchveröffentlichung war als er.

DOMRADIO.DE: Dass der Verlag vorab Details aus dem Buch an die Presse gegeben hat, war dann vermutlich auch nicht im Sinne von Erzbischof Gänswein?

Ring-Eifel: So ist es. Als Journalist haben ich und die Kolleginnen und Kollegen mitbekommen, wie der Verlag die Infos gestreut und gesteuert hat. Das war vom Verlag geschickt gemacht. Gänswein war zu dieser Zeit mit anderen Dingen beschäftigt.

DOMRADIO.DE: War Gänswein da ein bisschen naiv, dem Verlag die Entscheidung über den Veröffentlichungstermin zu überlassen? So etwas kann man doch in Autorenvereinbarung regeln.

Gänswein-Buch sorgt für Schlagzeilen

Auszüge aus einem Buch von Erzbischof Gänswein haben in italienischen Zeitungen für Schlagzeilen gesorgt. Die römische Tageszeitung "Il Messaggero" berichtete unter der Überschrift "Am Tag der Beerdigung ein Angriff von Georg gegen Bergoglio", dass Gänswein sich in dem Buch nachträglich über seine Beurlaubung durch Papst Franziskus beklage.

Erzbischof Georg Gänswein / © Paul Haring (KNA)
Erzbischof Georg Gänswein / © Paul Haring ( KNA )

Ring-Eifel: Da bin ich überfragt. Ich kenne die Verabredung zwischen dem Verlag und Erzbischof Gänswein nicht. Was dort drin steht? Ob dort Fristen genannt werden? Und ob das naiv war oder nicht, kann ich nicht beurteilen.

Ich weiß nur, Gänswein ziemlich allein agiert. Er hat kein Sekretariat, keinen Rechtsbeistand und so weiter. Es kann schon sein, dass er etwas gemacht hat, was er nicht überschaut hat.

DOMRADIO.DE: Es heißt Gänswein wollte mit seinem Buch eigentlich vom guten Verhältnis zwischen Franziskus und Benedikt erzählen. Das ist dann aber gehörig danebengegangen.

Ring-Eifel: Er hatte das weitgehend wirklich alleine gemacht. An dem Buch beteiligt war lediglich der Co-Autor, der italienische Journalist Saverio Gaeta. Der hat ihm vor allem dabei geholfen, das Buch stilistisch brillanter zu schreiben. Gänswein wird sicherlich auch mit dem verstorbenen emeritierten Papst Benedikt über das Buch gesprochen haben.

Ich glaube, er hat nicht überrissen, was das für einen Wirbel machen würde. Er schreibt an einer Stelle im Buch: "Wenn man in dieser Stellung hier arbeitet, gilt für einen der Satz: Jedes Wort, was Sie sagen, kann gegen sie verwendet werden". Diese Erfahrung hat er jetzt am eigenen Leibe machen müssen.

DOMRADIO.DE: Wird das Buch den Händlern in Rom aus den Händen gerissen?

Ring-Eifel: Schön wäre es. In den meisten Buchhandlungen ist es noch nicht angekommen. Wir haben versucht, ein gedrucktes Exemplar zu kriegen. Das war bisher nicht möglich. Man kann das Buch aber schon als eBook runterladen. Insofern ist es im Handel, aber eben noch nicht als Druckexemplar. Woran das liegt, hat der Verlag bisher nicht erklärt. Als eBook ist es erhältlich.

DOMRADIO.DE: Erzbischof Gänswein schweigt. Könnte das ein von Papst Franziskus auferlegtes Schweigen sein?

Ring-Eifel: Man kann davon ausgehen, dass Papst Franziskus ihn zum Schweigen aufgefordert hat. Aber wir wissen nur, dass es eine Audienz für Gänswein gegeben hat, die überraschend nach diesem ganzen Wirbel angesetzt wurde und seitdem ist Gänswein mit keiner Äußerung mehr an die Öffentlichkeit getreten.

DOMRADIO.DE: Wie wird Gänswein in der italienischen Öffentlichkeit wahrgenommen? Wird er zu einer tragischen Figur im Vatikan?

Ludwig Ring-Eifel, Rom-Korrespondent der katholischen Nachrichtenagentur, KNA

"Er ist durch diese ganze Buchaffäre bei den Medien ein bisschen in Ungnade gefallen."

Ring-Eifel: Das geht schon in die Richtung tragische Figur. Die Italiener mochten Gänswein sehr, auch die italienischen Medien. Er war einer der meist fotografierten Kirchenmänner des Vatikans. Er ist durch diese ganze Buchaffäre bei den Medien ein bisschen in Ungnade gefallen.

Mittlerweile wird aber wieder stärker betont, dass er eben eine tragische Figur ist, dass er ausgerechnet in dieser Situation, in der er auch persönlich gelitten hat, weil er Benedikt persönlich eng verbunden war, doch sehr leidet. Da wirkt ein gewisser Mitleidseffekt in der italienischen Öffentlichkeit ein.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR