Wolfgang Thierse will Religionsfreiheit stärken

Religion keine Privatsache

"Dass Religion bestenfalls noch Privatsache sein sollte, das galt in der DDR. Wer aber so argumentiert, richtet sich gegen Religionsfreiheit", sagte der Katholik und ehemalige Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD). 

Wolfgang Thierse (dpa)
Wolfgang Thierse / ( dpa )

Nach Meinung des Katholiken und ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) ist Religion keine Privatsache. "Dass Religion bestenfalls noch Privatsache sein sollte, das galt in der DDR. Wer aber so argumentiert, richtet sich gegen Religionsfreiheit", sagte der Politiker am Freitag in einem Interview der Werbekampagne "100 Tage, 100 Menschen" zum 100. Katholikentag in Leipzig. Nicht nur das Christentum, sondern auch andere Religionen und Weltanschauungen wollten nicht "im stillen Kämmerlein" bleiben.

Gesellschaft lebt von unterschiedlichen Überzeugungen 

"Wer also verlangt, dass die Kirchen hinter ihren dicken Mauern verharren, der will Religions- und Meinungsfreiheit einschränken." Thierse, der auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist, sagte, dass eine pluralistische Gesellschaft von dem Engagement von "Menschen mit unterschiedlichen weltanschaulichen Überzeugungen" lebe. "Und Christen haben ein starkes Motiv, sich gesellschaftlich zu engagieren, nämlich die Verpflichtung zur Nächstenliebe. Daraus erwächst das Bedürfnis, sich für andere einzusetzen, für gesellschaftlichen Frieden und soziale Gerechtigkeit zu kämpfen." Auch Nicht-Christen sollten diesen Beitrag respektieren und willkommen heißen.

Stolz auf Friedliche Revolution 

Mit Blick auf den Fall der Mauer und die deutsche Einheit betonte Thierse: "Für mich gehört es zu den schönsten Pointen der Geschichte, dass ausgerechnet in dem Staat, in dem Religion bestenfalls noch Privatsache sein durfte, Menschen die friedliche Revolution geprägt haben, die ihren Glauben eben nicht Privatsache sein lassen wollten!"

Schmerz und Enttäuschungen 

Nach der Wende habe er beklagt, "dass die Wiedervereinigung zunächst nicht als Veränderungsprozess für das ganze Land wahrgenommen wurde". Der "Status quo West" sei schlicht auf den Osten übertragen worden. "Das war vielleicht ein realistischer Weg, aber er war mit Schmerzen und Enttäuschungen verbunden. Und er hat so manche Reform verzögert, die auch dem Westen Deutschlands gut getan hätte", so Thierse. "Ich hatte gehofft, dass man die Wiedervereinigung als Chance betrachtet, das Land gemeinsam zu verändern - die starken Westdeutschen und die neu aufgebrochenen, aber wirtschaftlich schwächeren Ostdeutschen." Dazu sei es dann aber nicht gekommen.


Quelle:
KNA