Wolfgang Bosbach zur Wertedebatte in der CDU

"Das Allermeiste kann ich inhaltlich unterschreiben"

Die von Erwin Teufel angestoßene Debatte über die Grundwerte der CDU ebbt nicht ab. Im domradio.de-Interview äußert sich jetzt der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. Inhaltlich könne er Teufels Äußerungen unterschreiben. Eine einheitliche Haltung zu ethischen Themen lasse sich immer schwieriger beantworten. Grenzen sieht Bosbach jedoch bei der Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften mit der Ehe.

 (DR)

domradio.de: Hat Erwin Teufel aus Ihrer Sicht eine bedenkenswerte Debatte angestoßen?

Wolfgang Bosbach: Eine bedenkenswerte und auch eine wichtige Debatte. Natürlich gibt es auch bei uns einen nachhaltigen gesellschaftlichen Wandel und nicht erst seit der Wiedervereinigung. Das heißt die politischen Entscheidungen müssen immer wieder hinterfragt werden. Zum Beispiel die Wehrpflicht. Das, was wir damals beschlossen haben, ist es auch noch notwendig? Hat es auch noch im Jahre 2011 Sinn oder müssen wir jetzt andere Entscheidungen treffen? Aber die Basis auf der die Union steht, Politik vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes, die dürfen wir nicht erschüttern, diese Basis muss fest sein.



domradio.de: Was bedeutet denn für Sie das C im Namen Ihrer Partei? Und wo hat es sich in der jüngsten tagespolitischen Auseinandersetzung immer wieder gezeigt?

Bosbach: Generell bedeutet das für mich einen konkreten Handlungsauftrag. Christen haben eine besondere Verantwortung, auch gegenüber der Allgemeinheit. Diese Verantwortung müssen sie wahrnehmen. Es gibt immer wieder Entscheidungen, wo man sich fragen muss - jedenfalls wenn man Mitglied einer C-Partei ist - stimmt Deine Entscheidungsfindung mit den ethischen Grundsätzen überein. Das war vor Jahren einmal die Debatte über die Forschung mit embryonalen Stammzellen, das waren noch vor kurzem die Debatte und die Entscheidung über das Thema Präimplantationsdiagnostik, also die Zulassung der PID. Wenn Sie mich noch vor fünf oder zehn Jahren gefragt hätten, wo steht die Union in diesen Fragen, hätte ich Ihnen das sofort beantworten können, heute ist es sehr viel schwieriger geworden, weil es kaum eine Haltung gibt, die man zu diesen Themen in meiner Partei nicht finden kann. Deswegen ist die Frage auch immer schwieriger zu beantworten geworden, wo steht die Union bei dieser Frage.



domradio.de: Ein ganz klares christliches Profil war immer das Familienbild, ein traditionelles christliches Familienbild. Ist denn zum Beispiel mit der CDU so etwas wie die komplette Gleichstellung homosexueller Partnerschaften zu machen. Meinen Sie, das ist ein Weg, der für Sie auch gangbar ist oder gibt es Grenzen auf Grund der christlichen Grundlage Ihrer Partei?

Bosbach: Da gibt es Grenzen, nicht nur auf Grund unserer christlichen Grundlage, sondern auch weil unsere Verfassung die Ehe in besonderer Weise schützt und ihr auch eine herausgehobene Stellung in Staat und Gesellschaft gibt. Zwar nicht wegen der Liebe von Mann und Frau, sondern weil die Ehe und zwar die Ehe von Mann und Frau, die Keimzelle der Gesellschaft ist. Wir tun manchmal so als seien die Kinder, die in einer Ehe von Mann und Frau geboren werden, die Ausnahme, aber das ist immer noch die Regel und das wird auch in Zukunft noch die Regel sein. Weil die Familie die Keimzelle der Gesellschaft ist und die Ehe steht insbesondere unter dem Gesichtspunkt Schutz und Fürsorge der Kinder unter einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Das ist immer noch die traditionelle Ehe von Mann und Frau. Wer das wie ich jetzt sagt, trägt ein hohes Risiko, weil sofort der Vorwurf kommt, das sei aber eine Diskriminierung von Lesben und Schwulen. Das ist natürlich Unsinn! Unsere Gesellschaft ist in den letzten Jahren sehr, sehr viel toleranter geworden und der besondere Schutz der Ehe von Mann und Frau hat doch nichts mit einer Diskriminierung von lesbischen und schwulen Lebensgemeinschaften und -partnerschaften zu tun. Da ist in den letzten Jahren in puncto Gleichstellung schon viel geschehen. Diskriminierung mag es hier und da immer noch geben, das hat aber nichts mit der Haltung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung zu tun. Eine vollständige Gleichstellung kommt daher für mich auch nicht in Betracht.



domradio.de: Der schleswig-holsteinische CDU-Chef Christian von Boetticher hat Erwin Teufel nicht direkt zugestimmt. Er meinte aber angesichts der Herausforderungen täte es gut, auf den Rat der Älteren zu hören, weil sie die CDU an die Wurzeln erinnerten. Sehen Sie das auch so? Dass da jetzt "ein paar alte Hasen" diese Debatte eröffnet haben, um sich in der Partei mit den Grundwerten und dem Profil der CDU auseinanderzusetzen?

Bosbach: Das ist völlig richtig. Allerdings sehe ich das mit gemischten Gefühlen. Das Allermeiste von dem, was Erwin Teufel gesagt und geschrieben hat, kann ich inhaltlich unterschreiben, füge allerdings hinzu, wenn einmal pro Woche von prominenten Unionspolitikern öffentlich beklagt wird, die CDU hat kein Profil mehr, sie hat kein gutes Personal mehr, dann werden wir für die Wählerinnen und Wähler auch nicht attraktiver. Mir wäre es lieber, wenn diese Debatten in den zuständigen Gremien geführt werden. Mut vor Königsthronen! Dann muss man diese Debatte auch führen, wenn die Bundeskanzlerin dabei ist, wenn die Parteivorsitzende dabei ist. Wenn man von außen zuruft in die Partei hinein, fürchte ich, dass am Ende des Tages alles beim Alten bleibt. Die richtigen Orte sind Bundesvorstand, Bundesparteitag, CDU-CSU-Bundestagsfraktion in den Orts- und Kreisverbänden, da müssen wir diese inhaltliche Debatte führen und nicht nur über die Medien.