Wohin die Flüchtlingspolitik steuert

IS-Terror und Silvesterhorror

IS-Terror und Silvester-Horror – wohin steuert die Flüchtlingspolitik? Über diese Frage haben Vertreter von Politik, Polizei und Kirche mit domradio.de-Redakteur Peter Kolakowski diskutiert. Der Tenor: Probleme müssen ehrlich benannt und ehrenamtliche Helfer bestärkt werden.

Studiogäste Serap Güler, Irene Porsch und Klaus Hagedorn (v.r.) im Gespräch mit Peter Kolakowski / © Melanie Trimborn (DR)
Studiogäste Serap Güler, Irene Porsch und Klaus Hagedorn (v.r.) im Gespräch mit Peter Kolakowski / © Melanie Trimborn ( DR )

"Um die Herausforderung Flüchtlingspolitik und Integration zu meistern, müssen alle an einem Strang ziehen" forderte Serap Güler, integrationspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im NRW-Landtag. "Man hat ein bisschen das Gefühl, dass die Vorfälle in Köln in der Silvesternacht einigen politischen Akteuren zugute kommen, weil sich die vorhandenen Vorurteile bestätigt haben", so Güler. Politik und Behörden müssten ehrlich und offen sagen, wo es Probleme gebe und diese nicht unter den Tisch kehren.

Volker Huß von der Gewerkschaft der Polizei in Nordhein-Westfalen kritisierte in diesem Zusammenhang die Berichterstattung der Medien. Schon zu Beginn der Flüchtlingsdiskussion sei die Situation verzerrt dargestellt worden. So seien auf Bildern von Anfang an meist Flüchtlingsmütter mit Kindern statt Männer zu sehen gewesen. Auch über den Bildungsstand vieler Flüchtlinge sei beschönigend berichtet worden. "Als die Presse diese Fehler dann eingeräumt hat, war das natürlich Wasser auf die Mühlen der AfD", so Huß. Ehrlichkeit von Anfang an sei deshalb besonders wichtig: "Wir müssen ehrlich sagen, dass es unter den Flüchtlingen auch Kriminelle gibt, genau wie in der normalen Bevölkerung auch."

Mehr Unterstützung für Ehrenamtler

Es sei ein schmaler Grad zwischen Stigmatisierung einerseits und der Nennung der Herkunft bei Straftaten andererseits, betonte auch CDU-Politikerin Güler: "Aber wir dürfen nicht tabuisieren, sondern müssen das offen absprechen, damit wir die Lösungen genau da ansetzen können." Damit Integration gelinge, müssten vor allem ehrenamtliche Organisationen politisch stärker unterstützt werden.

Auch der Koordinator für die Flüchtlingshilfe im Erzbistum Köln, Klaus Hagedorn, sieht nach eigener Aussage noch Potential in dieser Zusammenarbeit. Integration müsse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet werden, so Hagedorn, der die "Aktion Neue Nachbarn" des Erzbistums mitverantwortet. "Dort, wo Freundschaften und gemeinsames Leben stattfinde, könnten auch Werte vermittelt werden", so Hagedorn. Die katholische Kirche habe eine besondere Verantwortung, deutlich zu machen, welche Werte sie vertrete.

Kirche als wichtiger Akteur

CDU-Politikerin Güler betonte die Wichtigkeit der Kirchen für die Flüchtlingsarbeit: "Wir brauchen die Kirchen und Wohlfahrtsverbände für die Integration der Menschen. Wenn wir die bei der Integration der Gastarbeiter nicht schon auf unserer Seite gehabt hätten, stünden wir heute ganz anders da", erklärte Güler.

Die Flüchtlingsbeauftragte des Diözesan-Caritasverbandes in Köln, Irene Porsch, fordert vor allem nach den Vorfällen der Silvesternacht stärkere Unterstützung für Ehrenamtler. Diese seien zunehmend verunsichert. Die Helfer müssten sich zwar schon länger gegen einen "hoffähig gewordenen Rechtspopulismus" wehren. Hetze und Kommentare unter der Gürtellinie hätten aber durch die Überfälle in Köln noch einmal Auftrieb erhalten, berichtete Porsch.

Mehr internationale Hilfe

Der Blick muss sich nach Ansicht der Flüchtlingsbeauftragten aber auch auf Hilfe für die Herkunftsländer der Flüchtlinge und deren Nachbarländer richten. In den Flüchtlingslagern rund um Syrien herrsche eine große Perpektivlosigkeit: "Die Situation dort wird nicht besser, sie wird schlechter. Und die Konsequenz davon ist: Die Menschen machen sich auf den Weg zu uns", so Porsch. Für die Nachbarländer der Krisenstaaten müsse deshalb mehr Hilfe bereitgestellt werden.

Der Gründer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Jürgen Micksch, mahnte insgesamt eine engere Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft an. "In dem Moment, wo verschiedene große Staaten – zum Beispiel beim Thema Syrien – zusammenarbeiten würden, könnte man eine ganze Menge zustandebringen", so Micksch.