Wo sich "antisemitische Bildsprache" auf "documenta" zeigt

"Dammbruch"

Die Weltkunstausstellung "documenta" in Kassel steht in der Kritik. Politiker der hessischen Landesregierung und der Bundesregierung sehen eine antisemitische Bildsprache bei den auf der "documenta fifteen" ausgestellten Kunstwerken.

Autor/in:
Von Norbert Demuth und Christoph Arens
Das umstrittene Großgemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi bei der documenta fifteen auf dem Friedrichsplatz in Kassel / © Uwe Zucchi (dpa)
Das umstrittene Großgemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi bei der documenta fifteen auf dem Friedrichsplatz in Kassel / © Uwe Zucchi ( dpa )

Die am Samstag eröffnete Weltkunstausstellung "documenta" in Kassel hat ihren handfesten Skandal. Dabei geht es unter anderem um ein Werk des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi. "Mein persönlicher Eindruck ist, dass hier eine antisemitische Bildsprache vorliegt", erklärte die hessische Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) am Montag in Wiesbaden. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, forderte die Verantwortlichen der "documenta fifteen" auf, Konsequenzen zu ziehen. Eine rote Linie sei überschritten. Einem Medienbericht zufolge wurde inzwischen die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

"Klassischer Antisemitismus unter staatlicher Förderung"

Der Verein "WerteInitiative - Jüdisch-deutsche Positionen" erklärte in Berlin, das fragliche Werk von Taring Padi sei öffentlich zugänglich auf dem Friedrichsplatz in Kassel ausgestellt. "Auf diesem wird ein Jude vampirartig mit Schläfenlocken, Reißzähnen, Schlangenzunge, blutunterlaufenen Augen und einer SS-Rune auf dem Hut gezeichnet. Ein mit jüdischem Davidstern bildhaft dargestellter Mossad-Agent wird durch ein Schweinsgesicht charakterisiert", so die WerteInitiative.

Deren Vorsitzender Elio Adler sagte: "Diese Darstellung ist klassischer Antisemitismus unter staatlicher Förderung und ein absoluter Dammbruch." Es handele sich um offenen Judenhass.

Der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker erklärte, die Bildsprache des Werkes von Taring Padi sei eindeutig antisemitisch. "Dieses Werk muss weg", betonte Becker.

Grenze der Kunstfreiheit

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erklärte in Berlin ebenfalls: "Das ist aus meiner Sicht antisemitische Bildsprache." Hier finde Kunstfreiheit ihre Grenze. "Die Menschenwürde, der Schutz gegen Antisemitismus, wie auch gegen Rassismus und jede Form der Menschenfeindlichkeit sind die Grundlagen unseren Zusammenlebens", unterstrich Roth.

Erneut Antisemitismus-Vorwürfe gegen "documenta fifteen"

Kurz nach der Eröffnung der documenta fifteen fachen neue Vorwürfe die seit Monaten schwelende Antisemitismus-Debatte um die Schau weiter an. Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, forderte am Montag die Verantwortlichen der Weltkunstausstellung in Kassel auf, einen Beitrag des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi wegen antisemitischer Motive zu entfernen. Die israelische Botschaft in Berlin reagierte empört. Es gab auch Rücktrittsforderungen.

Das umstrittene Großgemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi bei der documenta fifteen auf dem Friedrichsplatz in Kassel / © Uwe Zucchi (dpa)
Das umstrittene Großgemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi bei der documenta fifteen auf dem Friedrichsplatz in Kassel / © Uwe Zucchi ( dpa )

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland übte scharfe Kritik: "Entgegen aller Zusicherungen wurden auf der "documenta fifteen" eindeutig antisemitische Motive in einem Werk des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi verwendet." Der Zentralrat bedauere "gleichermaßen den Antisemitismus der Künstler wie die mangelnde Verantwortung der Ausstellungsmacher". Die Leitung der "documenta" habe offensichtlich versagt.

Staatsanwaltschaft eingeschaltet

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Volker Beck, hat einem Medienbericht zufolge die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Beck sagte zur "Bild"-Zeitung mit Blick auf das Bild eines Schweins mit Davidstern und der Aufschrift "Mossad", das auf der "documenta" ausgestellt sei: "Gemessen an den Maßstäben des Urteils des Bundesgerichtshofs zur Wittenberger 'Judensau' stellt das Werk des Künstlerkollektivs Taring Padi einen rechtsverletzenden Zustand dar." Beck weiter: "Durch die Darstellung von Juden- und Mossad-Säuen wird unmittelbar auch der Geltungs- und Achtungsanspruch eines jeden in Deutschland lebenden Juden angegriffen. Die Identifizierung eines Juden mit Kippa und Hut, markiert mit einer SS-Rune, verteufelt Juden generell." Er habe sich entschieden, "die Sache der Staatsanwaltschaft in Berlin und Kassel zur Prüfung vorzulegen", so Beck.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, erklärte, es sei "vollkommen unverständlich, wie die Documenta-Verantwortlichen es zulassen konnten, dass diese antisemitischen Werke trotz aller Diskussionen im Vorfeld ausgestellt wurden". Es handele sich um einen "Skandal mit Ansage".

Quelle:
KNA