Wirtschaftskrise verschont Hilfsorganisationen

Für den guten Zweck

Die Angst war groß - und offenbar meistens unbegründet: Die Wirtschaftskrise hat für die meisten deutsche Hilfsorganisationen bislang keinen großen Spendeneinbruch zur Folge. Der durchschnittliche Spender in der Bundesrepublik ist eher wohlhabend. Und daran wird sich so schnell auch nichts ändern, meinen Experten. Pech könnten aber die Organisationen haben, die vor allem auf ein junges Spenderklientel setzen.

Autor/in:
Ellen Reglitz
 (DR)

Nach Angaben des Deutschen Spendenmonitors des Meinungsforschungsinstituts TNS Infratest spendeten zwischen Oktober
2007 und Oktober 2008 42 Prozent der deutschsprachigen Bundesbürger über 14 Jahre an nationale und internationale Hilfsorganisationen insgesamt 2,8 Milliarden Euro. Damit sank zwar im Vergleich zum Vorjahr die Pro-Kopf-Spende von durchschnittlich 108 Euro auf 102 Euro, dieser Rückgang wurde jedoch durch eine Zunahme an aktiven Spendern ausgeglichen.

Jan Borcherding, Teamleiter beim Spendenmonitor, hegt auch für dieses Jahr kaum Bedenken, obwohl die Daten für 2009 noch nicht erhoben sind: "Aus anderen Studien, die sich am Rande auch mit Spendenthemen befassen, können wir ablesen, dass ein Spendeneinbruch weiterhin unwahrscheinlich ist." In der Vergangenheit hätten zudem stets konstant mehr als 40 Prozent der Deutschen gespendet, "egal, wie es der Wirtschaft gerade ging".

Experten führen dies vor allem auf das Alter und die Lebenssituation des Durchschnittspenders zurück. So auch der Leiter der Fundraising Akademie in Frankfurt am Main, Thomas Kreuzer: "Ein Großteil der Spender sind Rentner, die unter der Krise bislang kaum gelitten haben." Laut Spendenmonitor spendeten 2008 61 Prozent der Über-65-Jährigen, bei den 20- bis 29-Jährigen war es dagegen weniger als jeder Dritte. Neben Rentnern öffneten zudem vor allem die wohlhabenderen Bevölkerungsschichten ihre Geldbörse. "Sie arbeiten oft als leitende Angestellte oder Beamte, also in Positionen, die von der Krise bislang ebenfalls weitestgehend unberührt sind", sagt Borcherding.

Auf der krisensicheren Seite sieht der Spendenexperte vor allem solche Organisationen, die sich die klassische Entwicklungshilfe auf die Fahnen geschrieben haben: "Diese Hilfswerke haben oft eine lange Tradition und betreiben die eindringlichste Werbung - mit dieser Ausrichtung erreichen sie vor allem die Rentner."

Anders Umwelt- und Tierschutzorganisationen
Anders sieht er die Lage bei Umwelt- und Tierschutzorganisationen, die vor allem Studenten und junge Familien ansprächen. So klagt der Deutsche Tierschutzbund über negative Folgen der Wirtschaftskrise:
Tierschutzvereine litten unter einem Rückgang an Spenden, zugleich würden immer mehr Tiere aus finanziellen Gründen in Tierheimen abgegeben.

Doch auch andere Organisationen haben Anlass zur Sorge, allerdings aus anderen Gründen. Die Diakonie Katastrophenhilfe hat in diesem Jahr bislang 2,3 Millionen Euro Spenden gesammelt. Zum gleichen Zeitpunkt des vergangenen Jahres waren es bereits 6,2 Millionen Euro.
Sprecher Rainer Lang sieht den Grund hierfür in der Abhängigkeit von Katastrophen, an denen die Arbeit der Organisation ausgerichtet ist.
Während 2008 Zyklon Nargis in Birma für hohe Spendeneinnahmen sorgte, blieb eine vergleichbare Katastrophe in diesem Jahr bislang aus.

Lang sieht die Katastrophenhilfe in einem Dilemma. Die Krisenprävention funktioniere in vielen Ländern mittlerweile ganz gut, auch dank der Arbeit der Hilfswerke. "Dadurch werden die Folgen von Katastrophen abgemildert. Es gibt weniger Tote und deshalb auch weniger mediale Berichterstattung", sagt Lang. Konsequenz: Die Spendenbereitschaft sinkt.

Dennoch kann sich das Gros der Hilfsorganisationen bislang nicht beklagen. Die meisten verzeichneten 2008 Spendenzuwächse, zum Teil recht deutliche. Den mit Abstand größten Einbruch an Spendeneinnahmen erlitt das deutsche UNICEF-Komitee mit einem Verlust von 23,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Schuld war daran aber nicht die Wirtschaftskrise, sondern die hausinterne Führungskrise nach dem Wirbel über das Spendenmanagement.