Pro Asyl kritisiert Ausbau der Abschiebehaft wie in Glückstadt

"Wird immer mehr zum Regelfall"

Kritik an mehreren Punkten: Anlässlich der Eröffnung einer Drei-Länder-Abschiebehaftanstalt am Montag in Glückstadt fordert die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl ein Ende der "Abschieberitis".

Ein Flüchtling mit Handschellen / © Daniel Bockwoldt (dpa)
Ein Flüchtling mit Handschellen / © Daniel Bockwoldt ( dpa )

Die Bundesregierung müsse Europarecht respektieren und rechtsstaatliche Prinzipien müssten auch für Geflüchtete gelten, erklärte Pro Asyl-Anwalt Peter Fahlbusch am Montag: "Rund die Hälfte aller Menschen sitzt zu Unrecht in Abschiebehaft". Am Montag geht die gemeinsame Abschiebehaftanstalt von Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern in Glückstadt in Betrieb.

Pro Asyl kritisiert, die ehemalige Marinekaserne vermittle durch Sportplätze, Gebetsräume und Kickertische den Eindruck einer "schönen" Abschiebehaft, dies verschleiere aber, dass dort Menschen eingesperrt würden, die sich nichts hätten zuschulden kommen lassen: "Geflüchtete werden wie Straftäter behandelt und in ihren Freiheitsrechten beraubt. Abschiebehaft wird immer mehr zum Regelfall", so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl.

Fahlbusch: Hälfte der Menschen rechtswidrig inhaftiert

Rechtsanwalt Fahlbusch kritisierte im Interview mit der Organisation eine "systematische Entrechtung" in Abschiebehaftanstalten: "Wir sprechen hier nicht von einzelnen, bedauerlichen Fehlern, die gemacht werden - sondern von strukturellen Missständen."

Problematisch nannte er vor allem die Zahl der zu Unrecht Inhaftierten. Diese werde von den Bundesländern nicht erfasst, weshalb Fahlbusch eine eigene Statistik erstellt habe. Seit 2001 habe er bundesweit 2.141 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten, von denen 1.089 nach den vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert gewesen seien: "Das sind 50,9 Prozent - eine absurd hohe Zahl."

Anwälte für jeden Menschen in Abschiebehaft gefordert

Manche von ihnen seien nur einen Tag, andere wochen- oder monatelang inhaftiert gewesen, im Durchschnitt seien sie knapp vier Wochen zu Unrecht in Haft gewesen, so der Anwalt weiter.

Burkhardt ergänzte, dass viele Menschen in Abschiebehaft keinen Pflichtanwalt erhielten: "Anstatt immer neue Abschiebeknäste zu bauen und das Thema populistisch aufzubauschen, sollten Bund und Länder dafür sorgen, dass zumindest jedem Menschen, der in Abschiebehaft gesteckt wird, ein Anwalt zur Seite gestellt wird."


Quelle:
KNA