Erzbistum Köln reagiert auf Kritik am Bußgottesdienst

"Wir wollen niemanden instrumentalisieren"

Er will Schuld anerkennen und auf das Leid der Betroffenen schauen – dennoch stößt der geplante Bußgottesdienst des Erzbistums Köln im Kölner Dom auf Kritik. Delegat Markus Hofmann nimmt Stellung.

Generalvikar Msgr. Markus Hofmann (Erzbistum Köln)

DOMRADIO.DE: Das Erzbistum Köln plant am 18. November, also am europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung, einen Bußgottesdienst im Kölner Dom - was ist die Intention?

Msgr. Markus Hofmann (Delegat des Apostolischen Administrators, zuvor Generalvikar): Als Christen wissen wir, dass Schuld eine Realität im Leben ist – auch im Leben der Kirche hier in der Welt. Schuld zu verdrängen, ist kein guter Weg; Schuld muss erkannt und bekannt werden.

Vor diesem Hintergrund begehen wir den Bußgottesdienst am 18. November. Im Mittelpunkt steht das Hören und Anerkennen von Schuld und Versagen der Kirche von Köln in Bezug auf das Thema sexualisierte Gewalt – in erster Linie vor Gott, aber zugleich auch vor denen, die dadurch Leid und Unrecht erfahren haben, vor der Öffentlichkeit und vor sich selbst. Die Perspektive von Betroffenen im Gottesdienst hilft, das Leid, das durch das Versagen entstanden ist, zu sehen. Mit dem Erkennen und Bekennen ist die Schuld nicht ausgelöscht, sie wird vielmehr als Wirklichkeit ernst genommen.

DOMRADIO.DE: Was steht primär im Mittelpunkt des Gottesdienstes? Wer tut Buße - und warum?

Hofmann: Kern des Bußgottesdienstes ist wie gesagt das Hören und Anerkennen von Schuld und das Versagen der Kirche von Köln im Umgang mit sexualisierter Gewalt in den letzten Jahrzehnten. Damit steht das Bekenntnis vor Gott im Mittelpunkt. Daran schließt sich das Gedenken an die Betroffenen und die Fürbitte an.

Es geht also nicht um eine rasche Versöhnung, sondern um ein klares Bekenntnis: Verantwortliche im und Verantwortliche des Erzbistums haben versagt und haben anderen Menschen schweres Unrecht und Leid zugefügt. Daher steht der Apostolische Administrator als aktueller Leiter der Ortskirche, dem Gottesdienst vor. Er hört und bekennt das Versagen – stellvertretend für die Verantwortlichen im Erzbistum Köln, die Fehler gemacht und Schuld auf sich und die Ortskirche geladen haben.

DOMRADIO.DE: Bereits im Vorfeld wurde Kritik laut - auch von Betroffen. Hat man im Vorfeld mit den Betroffen gesprochen? In Köln gibt es ja neben dem aktuellen Betroffenenbeirat noch weitere Betroffene, die sich vom aktuellen Beirat nicht vertreten fühlen?

Hofmann: In die Planung und Gestaltung ist der Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln einbezogen, der für uns erster Ansprechpartner in allen Fragen ist, in denen die Betroffenenperspektive berücksichtigt werden soll. Es war immer klar, dass wir den Bußgottesdienst nicht ohne Abstimmung mit dem Betroffenenbeirat planen und durchführen. Allen eingeladenen Betroffenen steht es frei, die Einladung zum Gottesdienst anzunehmen oder abzulehnen. Wir wollen im Gottesdienst Buße tun. Das ist keine Alternative für persönliche Gespräche mit den Betroffenen.

Auch ist der Gottesdienst kein Ersatz für Maßnahmen, die als Konsequenzen beispielsweise aus der Unabhängigen Untersuchung umgesetzt werden, um Fehler der Vergangenheit zukünftig zu vermeiden und möglichst sexualisierte Gewalt zu verhindern. Das Schuldbekenntnis vor Gott in einem Bußgottesdienst bleibt aber unbedingt nötig, da die Kirche durch das Handeln verantwortlicher Mitarbeiter Sünde auf sich geladen hat. Nicht zuletzt Papst Johannes Paul II. hat mit seinem großen Schuldbekenntnis zum neuen Jahrtausend deutlich gemacht, dass die Kirche sich immer wieder neu auf Christus hin ausrichten muss.

DOMRADIO.DE: Wie reagieren Sie auf die laut gewordene Kritik?  Es wird ja kein Schuldbekenntnis des Kardinal, was einige gefordert haben, möglich sein…

Hofmann: Es geht im Bußgottesdienst nicht nur um die Verfehlungen Einzelner. Wir schauen auf den Missbrauch und die Folgen, die der falsche Umgang mit Missbräuchen für Betroffenen verursacht hat. Wir schauen damit auf das systemische Versagen im Erzbistum Köln. Als Kirche stehen wir zu unseren Fehlern. In Anerkennung dieser Fehler und unserer Schuld als Erzbistum Köln wird der Apostolische Administrator als Leiter des Erzbistums Köln im Bußgottesdienst sprechen. Somit gehen wir weiter, als wenn Verantwortliche allein ihre persönliche Schuld bekennen würden.

Von vornherein war klar, dass es Kritik geben würde, wenn wir einen Bußgottesdienst halten – und auch dann, wenn wir keinen halten. In Abwägung der Umstände hat der Apostolische Administrator entschieden, dass es besser ist, den Gottesdienst wie von Papst Franziskus und der Deutschen Bischofskonferenz empfohlen am 18.November, dem Europäischen Tag für die Opfer von sexuellem Missbrauch, zu halten. Wir haben uns dabei zunächst vom Betroffenenbeirat beraten lassen und dann unter Abwägung verschiedener Argumente diese Entscheidung getroffen.

DOMRADIO.DE: Was sagen Sie zu dem Vorwurf, durch den Gottesdienst würden die Betroffen erneut instrumentalisiert?

Hofmann: Wir wollen niemanden instrumentalisieren. Das Erzbistum hat die Betroffenen in keiner Weise gedrängt oder gebeten, sich aktiv einzubringen. Aber diejenigen, die sich freiwillig im Betroffenenbeirat engagieren, haben wir nach ihrer Einschätzung gefragt. Einzelne Mitglieder haben darum gebeten, sich einbringen zu können. Das wollten wir nicht ablehnen und ihnen verwehren.

Diejenigen Betroffenen, die sich in den Bußgottesdienst einbringen, wollen dies von sich aus. Sie tun dies ganz bewusst für sich und nicht in irgendeiner Form stellvertretend für andere Betroffene. Alle anderen eingeladenen Betroffenen entscheiden, wie eben schon gesagt, für sich, ob sie am Gottesdienst teilnehmen wollen.

DOMRADIO.DE: Wie geht es jetzt weiter - wäre es nicht notwendig im Vorfeld eines Bußgottesdienstes noch mal in einen intensiven Austausch mit den Betroffenen zu gehen?

Hofmann: Weihbischof Steinhäuser und ich stehen jederzeit gerne für einen Austausch mit den Betroffenen zur Verfügung, wir schließen uns damit der Einladung an, die Kardinal Woelki im Rahmen der Veröffentlichung des Gutachtens von Prof Gercke im März ausgesprochen hat. Der Gottesdienst, in dem wir als Erzbistum Buße tun, soll und wird das persönliche Gespräch in vertrauensvoller Atmosphäre in keiner Weise ersetzen.


Aufgeschlagenes Gutachten über den Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln / © Ina Fassbender (KNA)
Aufgeschlagenes Gutachten über den Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln / © Ina Fassbender ( KNA )
Quelle:
DR
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