Malteser International leisten Hilfe in Beirut

"Wir unterstützen, so Gott will, auch noch weitere 40 Jahre"

Nach der folgenschweren Explosion in Beirut ist auch das weltweite Hilfswerk des Malteserordens mit Helferinnen und Helfern vor Ort. Länderkoordinator Clemens Mirbach erklärt, wie die Hilfe akut und perspektivisch aussieht.

Das Gebiet am Ort der verheerenden Detonation im Hafen Beiruts / © Marwan Naamani (dpa)
Das Gebiet am Ort der verheerenden Detonation im Hafen Beiruts / © Marwan Naamani ( dpa )

DOMRADIO.DE: Welche Hilfe können Sie derzeit in Beirut leisten?

Clemens Mirbach (Länderkoordinator Libanon von Malteser International): Unsere Hilfe derzeit konzentriert sich auf drei Sektoren. Wir machen natürlich, wie es in der Natur unseres Ordens liegt, erst einmal Grundgesundheitsvorsorge: Das sind Ersthilfe-Maßnahmen. Wir haben mobile Kliniken, die wir in Beirut in der Nähe vom Ground Zero positioniert haben, um dort allen, die diese Hilfe in Anspruch nehmen wollen, kostenfrei helfen zu können. Wir haben dort einen sehr regen Zulauf von fast 400 Patienten pro Tag.

Die zweite Maßnahme ist, dass wir ein Emergency-Team runter geschickt haben, das erst mal ohne großes Material schaut, wo Not am Mann ist und wo man auch mittelfristig helfen kann. Die ersten Wunden der Explosion sind verheilt, kann man sagen, oder sind zumindest verbunden. Jetzt geht es darum, die Folgeschäden mittel- und langfristig zu evaluieren. Diese Evaluation findet statt, während wir sprechen. Seit zwei Tagen sind sie schon da unten.

Das dritte ist tatsächlich die Unterstützung im Freiwilligen-Sektor. Das sind jugendliche Freiwillige, die wirklich mit Besen und Schaufel durch die Wohnungen gehen und versuchen, insbesondere alten und kranken Menschen wieder einen Wohnraum herzustellen, der nicht voller Scherben und zerborstenen Möbel ist. Das ist ganz praktische Hands-on-Arbeit.

DOMRADIO.DE: Schildern Sie uns doch einmal Ihre Eindrücke von vor Ort. Wie ist die Lage ganz aktuell? Gibt es denn noch Hoffnung, beispielsweise Vermisste zu retten?

Mirbach: Diese Hoffnung schwindet natürlich stündlich. Man hört immer wieder, dass vor allen Dingen die libanesischen Streitkräfte immer wieder Menschen oder Körper bergen. Ich habe nur von einer Lebendrettung gehört. Die Situation ist, dass der Ground Zero weitestgehend abgeschirmt und als Krisenzone deklariert ist. Da kommt man auch nicht so ohne Weiteres rein.

Dann gibt es natürlich die Altstadt von Beirut, die auch sehr mit Vorsicht zu betreten ist wegen der Einsturzgefahr. Da werden die Häuser von Expertenteams, von Statikern – auch vom deutschen Technischen Hilfswerk – angeschaut und dann entsprechend mit den Zeichen versehen, ob sie einsturzgefährdet oder stabil sind.

Ansonsten kann man ein paar Straßenzüge weiter schon fast von Normalität sprechen. Wobei man bei den Libanesen auch wirklich sagen muss: Die sind so krisengeschüttelt und so verprügelt von ihrem Schicksal, dass das ein Resilienzzug ist, sehr schnell zu einer gewissen Normalität zurückzufinden.

DOMRADIO.DE: Da will ich direkt mal anknüpfen. Der Libanon ist tatsächlich nun ein krisengebeuteltes Land. Die Katastrophe kommt jetzt noch zur Corona-Pandemie und der unsicheren politische Lage dazu. Wie kann es denn den Libanesen gelingen, da tatsächlich wieder auf die Beine zu kommen?

Mirbach: Es ist jetzt nicht seriös, irgendwelche Vorhersagen zu machen, wie es weiter laufen wird. Meine persönliche Meinung ist, dass an erster Stelle das Gebet kommt, weil es für Gott keine Probleme gibt, solche Konflikte zu lösen oder beiseite zu schaffen. Das ist nichts, was ihn aufhalten würde. Diese Zuversicht ist sicherlich auch die Grundlage meines Handelns.

Ansonsten kommt es darauf an, dass die vielen kleinen Initiativen vorankommen. Diese kleinen Initiativen, wo Menschen aus tieferen Überzeugungen handeln, dass es etwas Gutes gibt. Es geht darum, dass sie anfangen, einfach Nachbarschaftshilfe zu leisten, oder dass sie als Arzt oder Krankenschwester im Gesundheitssektor jetzt Unglaubliches leisten. Diese kleinen Initiativen auf der Straße sieht man zahllos und die brauchen einen gewissen Humus, also einen gewissen Nährboden – und Kraft und Anerkennung.

Die Stärkung der Zivilgesellschaft ist, glaube ich, die einzige Möglichkeit, wie man in diese alten aus dem Bürgerkrieg noch vorhandenen Strukturen, die das Ganze wie so ein Gewölbe überschatten, Risse reinkriegt.

DOMRADIO.DE: Wie sieht Ihr Zeitplan weiter aus? Wie lange werden Sie die Kolleginnen und Kollegen der libanesischen Malteser dort noch unterstützen?

Mirbach: Wir unterstützen bereits seit 40 Jahren – und, so Gott will, auch noch weitere 40 Jahre. Die Akut-Unterstützung ist ja gerade in der Prüfungsphase. Den Ergebnissen will ich nicht vorgreifen. Aber wir sind definitiv und auch vertraglich auf die nächsten fünf bis sechs Jahre in engster Zusammenarbeit mit unseren libanesischen Freunden vom Malteserorden, aber auch darüber hinaus natürlich.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Nach der schweren Explosion in Beirut: Bagger entfernen Trümmer / © Marwan Naamani (dpa)
Nach der schweren Explosion in Beirut: Bagger entfernen Trümmer / © Marwan Naamani ( dpa )
Quelle:
DR
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