USA-Experte Braml über die Außenpolitik Trumps

"Wir stehen vor einem bipolaren Weltkonflikt"

US-Präsident Trump polarisiert: Seine Außenpolitik erhebt den Anspruch, die Welt zu einem friedlicheren Ort zu machen. Das brachte Trump Vorschläge für den Friedensnobelpreis ein, der am Freitag bekanntgegeben wird. Hat er Chancen?

Autor/in:
Christoph Schmidt
Donald Trump kauft während seiner Wahlkampftour eine Pizza / © Evan Vucci (dpa)
Donald Trump kauft während seiner Wahlkampftour eine Pizza / © Evan Vucci ( dpa )

KNA: Herr Braml, wieder einmal ist Donald Trump unter den Vorgeschlagenen für den Friedensnobelpreis. Was könnte eine solche Auszeichnung rechtfertigen?

Josef Braml (Leiter des Amerika-Programms der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, DGAP): Aus meiner Sicht überhaupt nichts. Trump hat die wirtschaftlich-geostrategische Konfrontation mit China vorangetrieben wie kein Präsident seit 50 Jahren. Hier droht ein Weltkonflikt, der in Zukunft alles beherrschen wird. Wir stehen vor einer neuen Bipolarität zwischen den USA und China, die den Kalten Krieg in den Schatten stellt. Ansätze zu einer multilateralen globalisierten Friedensordnung hat der US-Präsident dagegen mit seinem «America first» systematisch untergraben. Das zeigt auch sein Rückzug aus internationalen Verflechtungen wie dem Pariser Klimaabkommen, der Weltgesundheitsorganisation und der Welthandelsorganisation.

KNA: Trump-Fans preisen seine Initiativen im Nahostkonflikt. Auch die Bundesregierung lobte die von den USA vermittelten Friedensverträge zwischen Israel, den Emiraten und Bahrain - und hofft auf Impulse für eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israelis und Palästinensern.

Braml: De facto ist die Zwei-Staaten-Lösung seit langem erledigt. Daran tragen die zerstrittenen Palästinenser wegen fehlender Verhandlungsbereitschaft zwar eine Mitschuld. Aber die USA sind schon seit Präsident George W. Bush kein "ehrlicher Makler" mehr. Trump hat sich endgültig auf die Seite Israels gestellt - siehe die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Der "Friedensplan" seines Nahost-Beraters und Schwiegersohns Jared Kushner ist eine Totgeburt, weil er zu harte Bedingungen an die Palästinenser stellt.

Trump geht es auch gar nicht um eine faire Lösung des Konflikts. Er betreibt Politik wie ein Geschäftsmann. Deshalb nimmt er nur die starke Seite ernst - die Israelis. Die schwächeren Palästinenser, die obendrein Muslime sind, ignoriert er. Hinzu kommt, dass er seine evangelikale Wählerbasis zufriedenstellen will, die ihre Heilserwartung an Israel knüpft.

KNA: Aber die im Sommer vermittelten Abkommen zwischen Israel und den beiden Golfstaaten sind doch ein Beitrag zum Frieden in der Region.

Braml: Mit Blick auf den Nahostkonflikt zeigen sie vor allem, dass die Solidarität der arabischen Länder mit den Palästinensern abnimmt.
Das nutzt Trump für sein eigentliches Ziel: die Bildung einer breiten Allianz gegen den Iran, von Israel bis zum Golf. Also das Gegenteil von Frieden für die Region ist zu erwarten. Baldige US-Präventivschläge gegen den Iran sind nicht unwahrscheinlich. Auch deswegen könnte er den Rückzug der US-Armee aus dem Irak und Syrien forciert haben, um Teheran keine verwundbaren Ziele zu bieten.

Strategisch ist Trumps Eskalationskurs gegen den Iran schon deshalb wenig friedensfördernd, weil er das Land damit noch enger an die Seite Chinas treibt, also den bipolaren Großkonflikt weiter verschärft. Sollten die USA militärisch gegen den Iran vorgehen, würden sie auch Chinas raumgreifende Seidenstraßenpläne in der Region vereiteln.

KNA: Trump hat den Ausbau der petrochemischen Industrie in den USA gefördert. Er verspricht sogar Unabhängigkeit von Öllieferungen aus dem Mittleren Osten. Warum riskiert er dort trotzdem einen Krieg?

Braml: Die Autarkie der Vereinigten Staaten auf dem Gebiet von Öl und Gas ist ein Märchen. Die Fracking-Industrie des Landes steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Der Nachfrageeinbruch im Zuge der Pandemie und der daraus resultierende Preiskrieg zwischen den größten Produzenten verschärfte die Verwundbarkeit des Fracking.
Saudi-Arabien wurde von der US-Regierung daran erinnert, dass seine Sicherheit vom militärischen Schutz der USA abhängt, und zur Mäßigung seiner Produktion angehalten, damit nicht ein weiterer Ölpreisverfall die amerikanische Energieproduktion in den Ruin treibt. Also die Preisbildung auf den Öl- und Gasmärkten ist abhängig von der US-Präsenz am Golf.

KNA: Blicken wir noch auf Nordkorea. Gleich zweimal traf sich Trump mit Diktator Kim Jong Un zu Friedensgesprächen. Als erster US-Präsident suchte er den persönlichen Kontakt zu einem nordkoreanischen Herrscher.

Braml: Trump hat mit seinem Medienspektakel hohe Erwartungen geschürt. Bisher blieb es bei unverbindlichen Gesprächen ohne feste Zusagen Nordkoreas, auf seine Atomwaffen zu verzichten. Ich bezweifle, dass es dazu kommt. Kim weiß, dass er diese Treffen allein seiner nuklearen Macht zu verdanken hat und die atomare Abschreckung seine Lebensversicherung ist. Aus Trumps selbstherrlichem Ausstieg aus dem Iran-Abkommen dürfte er die Lehre gezogen haben, dass den USA nicht zu trauen ist. Im aufziehenden bipolaren Konflikt steht Pjöngjang fest an der Seite Chinas, von dem es ökonomisch abhängt.

KNA: Was bedeutet dieser Konflikt für Europa?

Braml: Europa hat gar keine andere Wahl, als sich an die Seite Amerikas zu stellen, ob man Trump nun mag oder nicht. Wer sein Militär derart vernachlässigt wie die Europäer, wie insbesondere Deutschland das seit Jahrzehnten getan hat, wird auf den Schutz der USA angewiesen bleiben. Und dafür einen ökonomischen Preis zahlen müssen, wie der Streit um die Belieferung mit russischem Erdgas zeigt. Die USA werden alles tun, um Russland auf dem Rang einer Regionalmacht zu halten. Moskau nähert sich wegen der westlichen Sanktionen weiter den Chinesen an. Europa hat in diesem Spiel die unglückliche Rolle, einerseits Juniorpartner der USA zu sein, andererseits wirtschaftlich mit China kooperieren zu müssen.

 

Quelle:
KNA