Es war eine kleine Sensation: Am 20. Juli 2015 erhielt Beate Klarsfeld das Bundesverdienstkreuz. Zweimal war die Ehrung zuvor vom deutschen Außenministerium abgelehnt worden - zu sehr wohl war ihr Name noch immer mit jener spektakulären Ohrfeige verbunden, die sie 1968 auf dem CDU-Parteitag dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger verabreicht hatte.
Nun aber wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann Serge ausgezeichnet: für ihren Einsatz für die deutsch-französischen Beziehungen und für ihren unermüdlichen Kampf um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit.
Die späte Ehrung ist symptomatisch für das bewegte Leben der gebürtigen Berlinerin, die am 13. Februar ihr 80. Lebensjahr vollendet. Seine Eltern, schreibt Sohn Arno im Vorwort zu deren gemeinsamen Memoiren, hatten nicht selten vor allen anderen Recht.
Sie haben die Menschen wachgerüttelt, als viele partout nicht aufwachen wollten. Sie haben Finger in Wunden gelegt, die von anderen wissentlich ignoriert wurden. Und sie haben ihren Weg mit Beharrlichkeit verfolgt, egal welche Steine ihnen vor die Füße gelegt wurden.
Für Beate begann alles mit einem Au-pair-Aufenthalt in Paris im Jahr 1960. Politik und Geschichte, sagt sie, waren ihr damals noch völlig fremd - bis sie Serge Klarsfeld kennenlernte, einen jungen Politologen und späteren Anwalt, der seinen Vater in Auschwitz verloren hatte. NS-Zeit und Judenverfolgung wurden zum Lebensthema des Paares, das seit 1963 verheiratet ist.
Abgesehen hatten es die Klarsfelds dabei zunächst auf NS-Verantwortliche, die nach dem Krieg völlig unbehelligt geblieben waren. Um auf dieses Unrecht hinzuweisen und die Täter vor Gericht zu bekommen, war dem Ehepaar jedes Mittel Recht - bis hin zu illegalen Entführungen.
Öffentlichkeitswirksame Ohrfeige
Am Anfang stand die Causa Kiesinger, auf dessen NS-Vergangenheit - er war während des Kriegs stellvertretender Leiter der rundfunkpolitischen Abteilung im Reichsaußenministerium gewesen - Beate mit ihrer Ohrfeige öffentlichkeitswirksam aufmerksam machte.
Weiter ging es mit Kurt Lischka, der als Gestapomann in Paris mitverantwortlich für die Deportation von mindestens 73.000 Juden war. Trotz einer Verurteilung vor einem französischen Militärgericht - in Abwesenheit - lebte er völlig unbehelligt in Köln, wo ihn Beate Klarsfeld 1971 aufspürte und zu entführen versuchte. Die Aktion misslang, doch der Fall Lischka war in der Öffentlichkeit. 1979 wurde ihm in Köln der Prozess gemacht.
Klaus Barbie, der "Schlächter von Lyon", wurde ebenfalls von den Klarsfelds enttarnt, diesmal in Bolivien. Auch hier misslang die Entführung - Barbie endete dennoch 1987 in Frankreich vor Gericht.
Zumindest in Abwesenheit wurde Eichmann-Mitarbeiter Alois Brunner verurteilt. Hier verweigerte Syrien eine Auslieferung.
Besonders interessant: Schon früh stellten die Klarsfelds den Mythos vom Resistance-Land Frankreich in Frage und verwiesen auf die zahlreichen Kollaborateure, ohne die die Judenverfolgung im deutsch besetzten Frankreich niemals so effektiv hätte durchgeführt werden können. Auch aus dieser Tätergruppe landeten etliche Vertreter vor Gericht, darunter Rene Bousquet, ab 1942 Generalsekretär der französischen Polizei in Paris, sowie Maurice Papon, der als hoher Verwaltungsbeamter in Bordeaux an Judendeportationen beteiligt war.
Opfern ein Gesicht geben
Längst beschränkt sich das Engagement der Klarsfelds nicht mehr auf die Enttarnung von NS-Verbrechern. Lange bevor Gedenkstätten dieses Konzept verfolgten, bemühten sie sich etwa, den Opfern ein Gesicht zu geben. Eine Ausstellung über die aus Paris deportierten jüdischen Kinder in verschiedenen französischen Bahnhöfen war hier ein erster Schritt.
2012 machte Beate Klarsfeld dann abermals Schlagzeilen als sie für die Partei Die Linke für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte - und das, obwohl sie in Frankreich zeitgleich den konservativen Kandidaten Nicolas Sarkozy unterstützte. Erwartungsgemäß unterlag sie in der Bundesversammlung Joachim Gauck.
Trotz ihres Alters engagiert sich Klarsfeld bis heute gegen Rassismus und Antisemitismus. Ein "friedliches Pensionistendasein", schreibt sie im Nachwort ihrer Memoiren, komme für sie nicht in Frage. "So lange wir leben und als Paar zusammenstehen, müssen wir aktiv bleiben. Die Geschichte kennt kein Ausruhen."