Pax Christi zum Konflikt zwischen USA und Iran

"Wir dürfen uns an Gewalt nicht gewöhnen"

Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA spitzt sich zu. Der Iran hat US-Stützpunkte im Irak mit Raketen angegriffen und spricht von "Vergeltung". Die katholische Friedensorganisation Pax Christi fordert klare Worte der Bundesregierung.

Teilnehmer einer Demonstration rufen Slogans während eines Protestes gegen einen US-Luftangriff im Irak, bei dem der iranische General Soleimani getötet wurde / © Ameer Al Mohmmedaw (dpa)
Teilnehmer einer Demonstration rufen Slogans während eines Protestes gegen einen US-Luftangriff im Irak, bei dem der iranische General Soleimani getötet wurde / © Ameer Al Mohmmedaw ( dpa )

DOMRADIO.DE: Spannungen im Nahen Osten sind nichts Neues. Im Moment ist die Angst vor einer weiteren Eskalation allerdings groß. Aber eigentlich haben wir einen ähnlichen Zustand ja schon seit Jahren immer wieder. Haben wir uns auf eine Art daran gewöhnt?

Christine Hoffmann (Generalsekretärin Pax Christi): Wir dürfen uns an Gewalt nicht gewöhnen. Es ist tatsächlich so, dass es eskaliert ist – gerade seit die USA entschieden haben, dass sie sich nicht mehr an die Atomvereinbarungen mit dem Iran gebunden fühlen. Aber USA und Iran haben sich immer irgendwie gegenseitig neutralisiert und sind in einer gewissen Wartehaltung verblieben.

Die Ermordung des iranischen Generals ist eine weitere Eskalation von Seiten der USA. Und die ist absolut zu verurteilen, weil sie völkerrechtswidrig ist und weil sie Öl ins Feuer gießt. Eigentlich geht es genau darum, einen Flächenbrand zu beenden, der im Nahen und Mittleren Osten seit Jahren tobt. Da hat unser Verbündeter USA einen völlig falschen Schritt getan. Das ist verantwortungslos.

 

 

DOMRADIO.DE: Das Ganze kommt ja nicht aus dem Nichts. Das ist ja eine Reaktion auf den Angriff auf die US-Botschaft. Ist es nicht auch legitim, in ähnlichem Maße zu reagieren?

Hoffmann: Dem sind ja auch wieder Schritte vorangegangen. Es gab Angriffe in Kirkuk. Die Gewalt wird immer wieder hochgeschaukelt. Nach dem Angriff in Kirkuk haben sich Proteste in der irakischen Bevölkerung entwickelt. Das ist eigentlich verständlich. Das haben die USA zum Anlass genommen, jetzt in einer so massiven Weise zurückzuschlagen. Es wurde schon der Vergleich bemüht, und ich finde den wirklich bedenkenswert: Wie würden wir reagieren, wenn das umgekehrt passiert wäre, wenn von iranischer Seite ein amerikanischer Politiker gezielt ermordet worden wäre? Wie würden wir reagieren, wenn eine deutsche Politikerin oder ein deutscher Politiker ermordet würde? Und dieser General war im Gespräch, in zwei Jahren für die Präsidentschaft im Iran zu kandidieren. Das ist nicht irgendwer, und er ist militärisch gesehen für den Iran eine ganz wichtige Figur.

Hinzu kommt, dass wir gezielte Tötungen sowieso ablehnen. Und das tut nicht nur Pax Christi. Im Koalitionsvertrag unserer großen Koalitionsregierung steht, dass gezielte Tötungen - auch durch Drohnen - abgelehnt werden.

DOMRADIO.DE: Trotzdem gibt es aber keine klare Positionierung Deutschlands, die diesen Angriff verurteilt, richtig?

Hoffmann: Ja, und das ist genau der Punkt. Es erscheint mir wichtig, da klare Worte zu sprechen. Deswegen haben wir uns auch dafür entschieden. Denn wir müssen in der Deeskalation auch sprachlich Klarheit schaffen. Wir fordern, dass in der Kommunikation abgerüstet wird. Aber das heißt, dass Klarheit herrschen muss über das, was passiert ist.

DOMRADIO.DE: Sie gehen aber teilweise sogar noch ein Schritt weiter und sagen: Eigentlich müsste der deutsche Luftraum fürs US-Militär gesperrt werden und keine Angriffe von US-Stützpunkten auf deutschem Boden ausgehen können. 

Hoffmann: Nach Informationen des US-Magazins Newsweek - auch von der New York Times aufgegriffen - war es eine Drohne, die General Soleimani getötet hat – und die wurde über die Airbase Ramstein gesteuert. Das heißt, es sind technische Signale von der US-Airbase hier in Deutschland benutzt worden.

Dazu gibt es in der Charta der Vereinten Nationen klare Definitionen: Wenn ein Staat sein Hoheitsgebiet einem anderen Staat zur Verfügung stellt – in diesem Fall Deutschland, das Amerika für die US-Airbase Ramstein das Gebiet zur Verfügung stellt – und dann zulässt, dass sein eigenes Hoheitsgebiet vom anderen Staat genutzt wird, Angriffshandlungen gegen einen dritten Staat zu begehen, ist das Gewalt. Dann ist das eine Angrifffshandlung, die von der UN-Charta verboten ist. Die Friedensbewegung fordert die Bundesregierung schon lange auf, gegen den Drohnenkrieg vorzugehen.

Sie verurteilt ihn, aber sie hat auch konkrete Möglichkeiten, etwas zu tun. Sie kann das Truppenstationierungsabkommen kündigen. Dann müssen diese Liegenschaften in ein Konversionsprogramm überführt werden. Die Bundesregierung hat diese Möglichkeit. Immer wieder wird das hin- und herdebattiert: War jetzt wirklich Ramstein involviert oder nicht? Und es ist so offensichtlich, dass es involviert war. Da geht es auch um eine Mitverantwortung.

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns noch einmal auf unsere Position als Christen schauen. Papst Franziskus hat sich am Wochenende geäußert und zu Frieden aufgerufen. Welche Rolle spielt es, dass auch wir unsere Stimme ergreifen?

Hoffmann: Der Papst hat uns auch ganz konkret zum Beten aufgefordert. Und Pax Christi USA hat auf Twitter zum Friedensgebet jetzt gerade aus diesem Anlass und zum Beten für Deeskalation im Nahen und Mittleren Osten aufgerufen. Ich finde das ganz wichtig, und ich finde, dass dieser Papst uns für diese friedensethischen Fragen oft gute Gedanken mitgibt. Er spricht schon lange von einem Dritten Weltkrieg, der in Stücken stattfindet. Und das, finde ich, ist auch genau das, was passiert. An ganz vielen Stellen auf dieser Welt und gerade in dieser Region sind kriegerische Konflikte in einem Ausmaß präsent, dass es mir fast zynisch erscheint, wenn wir von hier aus Sorge haben, es könnte ein Krieg ausbrechen.

Für die Menschen dort ist längst Krieg. Und darauf weist uns der Papst mit dieser Formulierung vom "Dritten Weltkrieg in Stücken" hin. Ich finde, es ist eine gute Möglichkeit für uns, uns wirklich zu besinnen und an die Menschen dort zu denken, in unserem Gebet. Sie möchten, ganz genau wie wir, einen Alltag in Frieden leben und ihre Kinder großziehen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR